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desBösen“ imTeil über dieNachkriegsverbrechen. Der dunkel gestaltete Raum
unddie IndividualisierungderOpferkönnenalsZeichenderOrientierungan in-
ternationalen, vor allem ausHolocaustmuseen stammendenMusealisierungs-
trendsbegriffenwerden.DieWändesind– typisch für vieleGedenkmuseenund
instarkemGegensatzzudenanderenAusstellungsräumen– schwarzmitweißer
Schrift undeingelassenenObjektenundFotografien.DasLichtkommtvorallem
vondengroßenObjektschaukästenanderWand.Doch jenseitsderÄsthetikhält
dieUniversalisierungdesHolocausthiernichtEinzug: InderAusstellunggibtes
imRaumüberdenZweitenWeltkriegzwardenAbschnittüberKonzentrationsla-
ger,abernichtsdeutetauf jüdischeHäftlingehin.DereinzigeSatzüberdenHolo-
caust auf den Texttafeln in der Ausstellungwie im englischsprachigen Katalog
lautetwie folgt: „InMay 1944, the gas chambers ofAuschwitz claimed the lives
of themajority of the Jewishcommunity living inSlovenia.“ (Štepec 2009, 17) In
der ausführlicheren slowenischen Guide-Version ist dieser Satz der letzte Teil
eines Absatzes, in dem es vorher um das „tragische“ Schicksal der Gottscheer
Sloweniendeutschen geht: Dadurchwird der Kontrast zwischen der „Tragödie“
jenerSloweniendeutschen,dienichtbereitsvorderNS-NiederlagedasLandRich-
tungÖsterreich verlassen hattenund vondenPartisanInnen interniertwurden,
und der neutralen Erwähnung der Gaskammern in der slowenischenVersion
nochdeutlicher. Bildlich sind jüdischeOpfermit einemFotoausdem ‚Ausch-
witz-Album‘vertreten,überdasesheißt: „Arrival of a transport toAuschwitz.
Slovene Jews fromPrekmurjewerealsomurdered in thegas cells of the camp
inMay 1944. The Slovene Jewish community fromPrekmurje shared the fate of
theBudapest Jewish community.“ (Štepec 2009, 53) AusderBildunterschrift er-
fahrenwiralsomehralsausdemHaupttext.
Das slowenischeMuseum vereinigt in ein- und derselben Ausstellung auf
einmaligeWeisewidersprüchlicheTendenzen: teils ist es in den 1990er Jahren
nochdemsozialistischenNarrativ verhaftet, teilsdämonisiert esTitosPartisan-
Innen sowie das sozialistische Jugoslawienund setzt diesesmit demNational-
sozialismusgleich.
4.2.3 DiesowjetischenVerbrecheninbaltischenMuseen
Abden1990er Jahrenkonnten jedenfalls erstmalsdie staatssozialistischenVer-
brechen thematisiert werden. Auch imBaltikum fielmit derWende das Tabu,
übersowjetischeVerbrechenzusprechen.
In Litauen hörte der KGB imHerbst 1991 zu existieren auf. (Rindzevičiūtė
2013, 85f) Bereits imAugust 1992wurde dann in der ehemaligen KGB-Zentrale
dasMuseumderGenozidopfer eröffnet.DasGebäudewar imRussischenKaiser-
4.2 1990–1999:DieWendeunddieMuseen 89
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918