Page - 3 - in Die schwierige Versöhnung - Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
Image of the Page - 3 -
Text of the Page - 3 -
3
Einleitung ‒ Antagonismus, Versöhnung, Gleichgültigkeit?
Völlig anders stellt sich die Situation zwischen Italien und Deutschland dar:
Beide Staaten haben dank der Arbeit von verdienstvollen, tatkräftigen Kul-
turinstitutionen, die über die notwendigen finanziellen Ressourcen sowie
über das erforderliche Personal verfügen, vertiefte historische Kenntnisse
voneinander. Besonders nennenswert sind das Deutsche Historische Institut
in Rom und das Institut für Zeitgeschichte in München.
Nun lässt jedoch die aktive Initiative des Österreichischen Histori-
schen Instituts in Rom als Mitveranstalter der zwei im Vorwort erwähnten
Tagungen, die dem vorliegenden Band zugrunde liegen, zu Recht hoffen,
dass ein neuer Gedankenaustausch und neue Forschungsansätze zu den zeit-
geschichtlichen Ereignissen in Österreich und Italien entstehen könnten.
Ein Streifzug durch die letzten Jahrzehnte soll uns an dieser Stelle hel-
fen, herauszufinden, wie sich die Kontakte zwischen Italien und Österreich
entwickelt haben und inwiefern sich die bilateralen Beziehungen gegenseitig
beeinflusst haben, sei es in friedlichen, entspannten Zeiten, sei es in Zeiten
heftiger Auseinandersetzungen.
Gleich nach 1945 beschäftigte sich die Geschichtswissenschaft in Ita-
lien nur sehr wenig mit dem damaligen österreichischen Staat. Der Fokus lag
vielmehr auf dem Faschismus und auf den speziellen Gründen, die die ita-
lienische Gesellschaft dazu bewegten, sich von diesem „Virus“ anstecken zu
lassen. Über die italienischen Grenzen hinaus wurde überwiegend Deutsch-
land Aufmerksamkeit geschenkt: Im Mittelpunkt standen nicht nur Themen
wie die Legitimität einer Gegenüberstellung beider Regime, die Verhältnisse
zwischen beiden Diktaturen und deren Führern, der gemeinsam geführte
Krieg, sondern auch die deutsche Besatzung nach dem 8. September 1943, die
Massaker der Wehrmacht und die italienische Widerstandsbewegung. In der
Debatte über die dramatischen Jahre des Faschismus fand Österreich kaum
Platz, zumal es nach dem „Anschluss“ im März 1938 seine Individualität ver-
loren hatte3.
Viel Raum wurde allerdings der Südtirolfrage eingeräumt, die von
Anfang an zu einer zentralen Angelegenheit der österreichisch-italienischen
3 Hans Heiss, Rücken an Rücken. Zum Stand der österreichischen zeitgeschichtlichen
Italienforschung und der italienischen Österreichforschung, in: Italien, Österreich und die
Bundesrepublik Deutschland in Europa. Ein Dreiecksverhältnis in seinen wechselseiti-
gen Beziehungen und Wahrnehmungen von 1945/49 bis zur Gegenwart, hrsg. von Michael
Gehler, Maddalena Guiotto (Wien–Köln–Weimar 2012) 101–128.
Die schwierige Versöhnung
Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Title
- Die schwierige Versöhnung
- Subtitle
- Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Authors
- Andrea Di Michele
- Andreas Gottsmann
- Luciano Monzali
- Editor
- Karlo Ruzicic-Kessler
- Publisher
- Bozen-Bolzano University Press
- Location
- Bozen
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-88-6046-173-5
- Size
- 16.0 x 23.0 cm
- Pages
- 616
- Keywords
- 20. Jahrhundert, Österreich, Südtirol, Italien, Geschichte
- Categories
- Geschichte Nach 1918