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Andrea Di Michele
Beziehungen wurde. Lässt man die historiografischen Publikationen, die in
der Nachkriegszeit über die Beziehungen zwischen Italien und Österreich
erschienen sind, Revue passieren, so entsteht der Eindruck, dass – abgesehen
von Südtirol – gar keine Gemeinsamkeiten bestanden, die beide Länder ver-
einen oder, besser gesagt, „trennen“. Die Südtirolfrage wurde zu einem äu-
ßerst heiklen Thema, das den Austausch unter Historikern beeinflusste und
heftige Debatten auslöste, wobei sich die österreichischen und die italieni-
schen Wissenschafter manchmal der Aufgabe verpflichtet fühlten, die eigene
Nation zu verteidigen4.
Dies erfolgte insbesondere ab der zweiten Hälfte der Fünfzigerjahre,
als Österreich infolge des Staatsvertrags vom Mai 1955 die volle Souveräni-
tät und somit seine politische Handlungsfähigkeit auf internationaler Ebe-
ne wiedererlangte. Bereits im April 1954 hatte die Südtiroler Volkspartei
Ministerpräsident Mario Scelba eine Verteidigungsschrift vorgelegt, in der
der italienischen Regierung vorgeworfen wurde, die Vereinbarungen des
Gruber-De Gasperi-Abkommens vom 5. September 1946 nicht eingehalten
zu haben. Daraufhin folgte eine Verbalnote gleichen Inhalts, die der österrei-
chische Außenminister seinem italienischen Amtskollegen im Oktober 1956
zukommen ließ. So begann der langwierige und schwierige Streitfall, in dem
Österreich und die Südtiroler Sammelpartei SVP Italien gegenüberstanden5.
Gleich nach dem Schreiben des österreichischen Außenministers ver-
öffentlichte Carlo Battisti, ein bekannter Sprachwissenschaftler und während
des Faschismus enger Mitarbeiter Ettore Tolomeis, das Buch „L’Italia e l’Al-
to Adige. Dall’Accordo italo-austriaco del 1946 alla nota austriaca del 1956“6.
In diesem Band wurde auf die Ereignisse der letzten zehn Jahre in Südtirol
eingegangen, mit dem klaren Ziel, sämtliche von Österreich erhobenen Vor-
4 Christoph Hartung von Hartungen, Le ricerche di storia locale in Alto Adige/Süd-
tirol-Tirolo. Dalle origini ai giorni nostri, in: Ricerca e didattica della storia locale in Alto
Adige, hrsg. von Giorgio Delle Donne (Trento 1996) 29 ff.; Hans Heiss, Identität und Wissen-
schaft an der Grenze: Landes- und Regionalgeschichte in Tirol und Südtirol, in: Blätter für
deutsche Landesgeschichte 147 (2011) 31 ff.
5 Michael Gehler, Österreichs Weg in die Europäische Union (Innsbruck 2009); Rolf
Steininger, Südtirol zwischen Diplomatie und Terror 1947–1969 (Bozen 1999), Bd. 1, 1947–
1959; La difesa dell’italianità. L’Ufficio per le zone di confine a Bolzano, Trento e Trieste 1945–
1954, hrsg. von Diego D’Amelio, Andrea Di Michele, Giorgio Mezzalira (Bologna 2015).
6 Carlo Battisti, L’Italia e l’Alto Adige. Dall’Accordo italo-austriaco del 1946 alla nota
austriaca del 1956, esperienze d’un decennio (Firenze 1956). Eine bearbeitete und erweiterte
Ausgabe dieses Buchs wurde ein Jahr später von Le Monnier veröffentlicht.
Die schwierige Versöhnung
Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Title
- Die schwierige Versöhnung
- Subtitle
- Italien, Österreich und Südtirol im 20. Jahrhundert
- Authors
- Andrea Di Michele
- Andreas Gottsmann
- Luciano Monzali
- Editor
- Karlo Ruzicic-Kessler
- Publisher
- Bozen-Bolzano University Press
- Location
- Bozen
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-88-6046-173-5
- Size
- 16.0 x 23.0 cm
- Pages
- 616
- Keywords
- 20. Jahrhundert, Österreich, Südtirol, Italien, Geschichte
- Categories
- Geschichte Nach 1918