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34 N. Vonneilich
und spezialisierenden Subsystemen. Ziel des vorliegenden Kapitels ist es, einen
kurzen Überblick über die Forschungstraditionen zu sozialen Beziehungen zu
geben. Dabei soll es insbesondere um eine begriffliche Klärung und, wo mög-
lich, auch um eine Abgrenzung verschiedener Konzepte voneinander gehen, die
im Laufe der Beschäftigung mit sozialen Beziehungen in der Soziologie und
anderen nahestehenden Disziplinen (etwa der Sozialpsychologie) entwickelt
wurden. Warum ist eine solche Abgrenzung und Einordnung notwendig? In
der Auseinandersetzung mit Forschungsarbeiten rund um das Thema soziale
Beziehungen kann festgestellt werden, dass unterschiedliche Begriffe synonym
verwendet werden und ursprünglich intendierte Abgrenzungen untereinander mit
der Zeit verschwimmen. Das vorliegende Kapitel orientiert sich an den folgen-
den Leitfragen: Welche Begrifflichkeiten gibt es in der soziologischen Forschung
zu sozialen Beziehungen? Wie werden diese definiert? Und wie kann aus diesen
unterschiedlichen Begriffen ein übergreifendes Konzept zu sozialen Netzwerken
entstehen? Das Forschungsfeld zu sozialen Beziehungen ist breit gefächert und
ist Thema vieler Disziplinen. Es reicht von der Soziologie hin zur Sozialpsycho-
logie, von Ökonomie über Public Health hin zur Epidemiologie, ohne dass dies
eine vollständige Liste aller Fächer und Forschungsschwerpunkte sein soll, die
sich mit diesem Thema befassen. Die wissenschaftliche Betrachtung sozialer
Beziehungen hat in der Soziologie eine längere Geschichte: diese erstreckt sich
von Durkheims bekannter Arbeit zum Selbstmord (Durkheim 1993, Original
1897), über Parsons funktionalistisch ausgerichtete Gesellschaftsanalyse (Par-
sons 1951), welche den sozialen Interaktionen zugrunde liegenden Werten und
Normen Beachtung schenkt, bis hin zu Bourdieus Kapital-Theorien und seinen
Analysen der gesellschaftlichen Differenzierung (Bourdieu 1994). Die dabei ent-
standene begriffliche Vielfalt ist durchaus gewünscht und zeugt von der Plurali-
tät an Forschungsaktivitäten. Diese reicht vom sozialen Kapital über soziale
Kohäsion hin zu sozialen Netzwerken. Gleichzeitig aber ist eine solche Aus-
differenzierung problematisch, wenn die Begriffe und die dahinterstehenden
Konzepte sich überschneiden oder synonym verwendet werden, ohne dass damit
klare Definitionen und Abgrenzungen verbunden sind (Holt-Lunstad et al. 2010;
Berkman und Krishna 2014). Berkman und Glass fassen dies wie folgt prägnant
zusammen: „When investigators write about the impact of social relationships on
health, many terms are used loosely and interchangeably, including social net-
works, social support, social ties and social integration“ (Berkman und Glass
2000, S. 137). Ziel der folgenden Übersicht ist es, die Begriffe zu ordnen und
voneinander abzugrenzen, deren Entstehung zu skizzieren, um darauf aufbauend
Zusammenhänge mit Gesundheit beschreiben und diskutieren zu können.
Soziale Beziehungen dienen im Rahmen des vorliegenden Kapitels als Ober-
begriff für eine ganze Reihe unterschiedlicher Konzepte zur Beschreibung des
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Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369