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39Soziale
Beziehungen, soziales Kapital und soziale Netzwerke …
Merkmal einzelner Individuen betrachtet, welche mit diesem oder durch dieses
handeln können.
Die Ansätze von Coleman (1990) und Putnam unterscheiden sich in ihrer
Herangehensweise von Bourdieu insofern, als soziales Kapital stärker als Eigen-
schaft von sozialen Netzwerken verstanden wird und dementsprechend die
Betonung auf der zwischenmenschlichen Ebene liegt. „Unlike other forms of
capital, social capital inheres in the structure of relations between actors and
among actors“ (Coleman 1990, S. 98). Diese nordamerikanische Tradition
entwickelt ihr Verständnis von sozialem Kapital aus der Untersuchung sozia-
ler Netzwerke. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wie und unter welchen
Bedingungen sich soziales Kapital in sozialen Netzwerken ausbildet (Lin 2000).
Betrachtet man soziales Kapital auf der Mikro-Ebene der Individuen, so
ergeben sich Überschneidungen sowohl mit dem Konzept der sozialen Unter-
stützung als auch mit sozialen Netzwerken. Soziale Unterstützung geht von
zumeist engen, eher stärkeren sozialen Beziehungen aus. Das Konzept des
sozialen Kapitals hingegen unterscheidet zwischen starken und schwachen
Beziehungen und sieht gerade die Möglichkeiten der schwächeren Beziehungen,
neue Informationen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen und ist hier eng an
das Konzept sozialer Netzwerke angelehnt. Dies wurde unter dem Schlagwort
strength of weak ties diskutiert (Granovetter 1973; Putnam 1995). Diese von Gra-
novetter entwickelte These besagt, dass gerade nicht die häufig frequentierten,
engen und mit höherer Intensität geführten Beziehungen (auch als bonding social
capital bezeichnet) relevante Ressourcen, wie etwa Zugang zum Arbeitsmarkt,
zur Verfügung stellen können, sondern dass dies durch Kontakte ermöglicht wer-
den kann, welche sich durch geringere Kontaktfrequenzen und niedrige Intensi-
tät charakterisieren lassen. Diese als bridging social capital (überbrückendes
soziales Kapital) bezeichneten Kontakte zeichnen sich dadurch aus, dass sie
über unterschiedliche soziale Gruppen hinweg etabliert werden und dass sie die
Zugangswahrscheinlichkeit zu bestimmten Ressourcen erhöhen (Lin et al. 1999).
Demgegenüber sind es die engeren Kontakte, die eher instrumentelle und emotio-
nale Unterstützung zur Verfügung stellen (Dahl et al. 2010).
Auf der Meso- oder auch der Makro-Ebene betrachtet, lässt sich sozia-
les Kapital zugleich als Eigenschaft sozialer Gruppen sowie als Charakteris-
tik von Lebensräumen bestimmen. Aufbauend auf der Erfassung individueller
Einschätzungen wie etwa der Reziprozität und dem Vertrauen in die jeweilige
Lebensumgebung (z. B. Nachbarschaft, Stadtteil), zu sozialem und ehrenamt-
lichem Engagement sowie generellen Einstellungen zu Gruppen oder Lebens-
räumen werden Indizes auf einer Aggregatebene gebildet, welche das Ausmaß an
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Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369