Page - 51 - in Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung
Image of the Page - 51 -
Text of the Page - 51 -
51Netzwerktheorie(n)
– Ein Überblick
strukturalistischen Determinismus das Individuum in den Blickpunkt des theore-
tischen Interesses. Der dritte Idealtyp ist der strukturalistische Konstruktivismus.
Hier werden soziale Strukturen, kulturelle Determinanten sowie Handlung als
eigene Aspekte behandelt. Netzwerke und Individuen sind somit ein Teil der Kul-
tur und beeinflussen diese wiederum. Sie stehen gleichberechtigt nebeneinander.
Beziehungen werden als durch die Akteur*innen selbst konstruierte Komponente
verstanden, was die Wahrnehmung der beteiligten Akteur*innen nochmals stärker
in die Analyse miteinbezieht.
Auch wenn sich die einzelnen Theorien unterscheiden, haben sie doch gemein,
dass Relationen und die Einbettung von Individuen das Handeln und die Identi-
tät dieser beeinflussen. Auf der anderen Seite zeigen die Theorien aber auch,
dass die Akteur*innen Netzwerke knüpfen und diese in Institutionen übergehen
und verfestigt werden können. Die Schwerpunkte der Analyse mögen sich zwar
unterscheiden, jedoch gehen alle vom Menschen als soziales Wesen aus, welches
selbst mit anderen in Netzwerken verbunden ist. Netzwerke können daher wie
folgt definiert werden: Netzwerke sind „[…] as a specific set of linkages among
a defined set of persons, with the additional property that the characteristics of
these linkages as a whole may be used to interpret the social behaviour of the
persons involved“ (Mitchell 1969, S. 2).
Im nächsten Abschnitt sollen sowohl „Grand Theories“ und „Theorien mitt-
lere Reichweite“ exemplarisch vorgestellt werden, um dieses beschrieben relatio-
nale Denken nochmals zu konkretisieren. Der stärkere Fokus liegt jedoch auf den
„Theorien mittlerer Reichweite“, da diese in der Empirie eine größere Bedeutung
einnehmen.
1.1 „Grand Theory“ der Netzwerkforschung
Unter der ersten Gruppe befinden sich Vorläufer der empirischen Netzwerkana-
lyse (siehe auch Kap. „Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung“). Zu
nennen wäre beispielsweise Georg Simmel (1908), der von einer Wechselwirkung
von Individuum und Gemeinschaft ausgeht. Simmel spricht hier von sozialen
Kreisen: Organische soziale Kreise sind hierbei „Netzwerke“, in die das Indivi-
duum hineingeboren wird (z. B. Familie), während rationale Kreise (z. B. Militär
oder Wirtschaftsbetriebe), umfasst. Akteur*innen gehen hierbei Beziehungen ein,
die wiederum Auswirkungen auf das Handeln der Individuen selber haben und
ihnen Möglichkeiten eröffnen oder sie einschränken. Dabei wurden bei Simmel
bereits erste einfache Strukturmerkmale herausgearbeitet (Hollstein 2001).
back to the
book Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369