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58 M. Gamper
beglichen werden, dennoch sollte sie als mindestens adäquat und ähnlich von
dem/der Gabenempfänger*in empfunden werden. Leistet man beispielsweise
Freunden Hilfe bei einem Umzug, so kann erwartet werden, später eine ähnliche
Leistung zu erhalten. Werden die Erwartungen beim Gabengebenden nicht erfüllt,
wird die Reziprozitätsnorm verletzt und dauerhafter sozialer Austausch weniger
wahrscheinlich. Reziprozitätsnormen sind von Kultur, historischen Aspekten und
der Rolle der involvierten Akteur*innen (z. B. Freund*in, Bekannte*r) abhängig.
Zum Beispiel ist man innerhalb der Familie in sogenannten westlichen Staaten
für enge Freunde oder Verwandte eher bereit, eine Leistung zu erbringen, ohne
eine zeitlich (un-)mittelbare entsprechende Gegenleistung zu erwarten (Sahlins
1999). Ein Recht (z. B. Vertragsrecht) existiert in der Regel nicht. Die Struktur
des Austausches zwischen den jeweiligen Tauschpartner*innen kann durch quan-
titative Netzwerkforschung sehr gut abgebildet werden, Verpflichtungsnormen
und Praktiken stehen eher der qualitativen Forschung offen (s. Kap. „Netzwerk-
analyse – eine methodische Annäherung“). Beispielweise geht die qualitative
Studie von Wentowski (1981) „Reciprocity and the Coping Strategies of Older
People: Cultural Dimensions of Network Building“ den Fragen nach 1) wie
kulturelle Regeln den Austausch von Unterstützung innerhalb der Netze regeln,
und 2) wie Unterschiede in der Art und Weise, wie ältere Menschen diese Regeln
bei der Schaffung von Unterstützung im Laufe der Zeit erfahren, interpretieren.
Die Forschung zeigt ferner die große persönliche Bedeutung der Gegenseitigkeit
für die Erhaltung des psychischen Selbstwertgefühls älterer Menschen. Dennoch
stellen Abbott und Freeth (2008) heraus, dass das theoretische Modell der Rezi-
prozität in der Gesundheitsforschung kaum Berücksichtigung findet.
1.2.6 Balance-Theorie
Eine psychologische Theorie, die in der Netzwerkforschung eine große
Bedeutung einnimmt, ist die der Balance in Triaden. Die Balance-Theorie geht
vor allem auf die Gleichgewichtstheorie, die der Konsistenztheorie2 zugerechnet
werden kann, zurück. Demnach versuchen Akteur*innen Einstellungen und Über-
zeugungen widerspruchsfrei zu gestalten (Witte 1989). Vor diesem Hintergrund
befasst sich die Gleichgewichtstheorie mit Widersprüchen von Beziehungs-
strukturen zwischen Akteur*innen untereinander oder zwischen Akteur*innen und
2Die Konsistenztheorie geht davon aus, dass Harmonien in kognitiven Prozessen – wie
z. B. Wahrnehmung, Einstellungen – eine positive Wirkung auf das Individuum haben.
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Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369