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71Wirkmechanismen
in sozialen Netzwerken
insbesondere dann, wenn diese Beziehungen mit der sozialen Verpflichtung
verbunden sind, selbst Unterstützung für andere zu leisten.
Soziale Integration in Verwandtschafts- und Freundschaftsnetzwerke oder
in (semi-)institutionelle Kontexte wie Freiwilligenarbeit und bürgerschaftliches
Engagement kann, wie soziale Unterstützung, einen Puffereffekt haben und
Stress, Gefühle der Isolation etc. abmildern. Gerade im Bereich der Forschung zu
negativen Gesundheitsfolgen von Langzeitarbeitslosigkeit konnte gezeigt werden,
dass der Mangel an sozialer Integration und soziale Isolation mit Depressionen
und gesundheitsschädigendem Verhalten assoziiert sind. Das Eingebundensein in
soziale Kontexte hingegen ist mit positiven Gesundheitseffekten verbunden (vgl.
Gore 1978; Schwarzer et al. 1994; Avison 2001): Soziales Engagement und ein
aktives soziales Netzwerk tragen zu einem Gefühl der Zugehörigkeit bei, welches
wiederum zu einem verbesserten Umgang mit den Folgen psychischer Krank-
heiten führen kann (Argentzell et al. 2012).
Hier entsteht die Frage, warum soziale Einbettung eigentlich diese positi-
ven Effekte haben kann. Zwei sozialpsychologische Mechanismen sind dazu
in der einschlägigen Literatur formuliert worden: social facilitation und social
inhibition (McCarty und Karau 2017). Beide bezeichnen das Phänomen, dass
die Wahrscheinlichkeit für individuelle (Gesundheits-)Verhaltensweisen durch
die Anwesenheit Anderer erhöht (facilitation) oder reduziert (inhibition) werden
kann. Dies ist im Gesundheitskontext ein häufiger zu beobachtender Netzwerk-
effekt, etwa dann, wenn individuell erwünschtes, aber aufwendiges Verhalten
(z. B. gesunde Ernährung, regelmäßiger Sport) dann wahrscheinlicher wird,
wenn man es gemeinsam mit anderen unternimmt. Umgekehrt kann individuell
unerwünschtes, aber wahrscheinliches Verhalten durch die Anwesenheit Ande-
rer reduziert werden, etwa wenn der Raucher im Beisein von Nichtrauchern auf
seinen Konsum verzichtet und der Alkoholkonsument im Beisein anderer seinen
Konsum kontrolliert. Hier wird eine Nähe zu den Konzepten sozialen Einflusses
deutlich, wobei der wichtige Unterschied darin besteht, dass bei den Mechanis-
men sozialer Integration keine direkten Einwirkungen auf Gesundheit untersucht
werden, sondern eher die beiläufigen und mittelbaren Folgen von Integration oder
Geselligkeit betrachtet werden.
Ein weiterer diskutierter Mechanismus in sozialen Kontexten kann das
sogenannte groupthink darstellen (McCarty und Karau 2017). Dies bezeichnet
den Effekt, der zumeist in engen und dicht verknüpften Netzwerksegmenten
(z. B. Cliquen, Familien etc.) auftritt, wenn sich mit der Zeit eine bestimmte
Information oder Einstellung bezüglich einer fraglichen Verhaltensoption
unter mangelnder Berücksichtigung ihrer Risiken zwischen allen Beteiligten
herausbildet. Im Schulkontext ist dies beispielsweise bei peer groups untersucht
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Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369