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91Negative
Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten
Die dritte Konzeption von negativen Verbindungen ist strukturorientiert.
Demnach sind negativen Beziehungen jene, die den Zugang zu Ressourcen ver-
hindern (Chauvac et al. 2014, S. 7) oder soziales Kapital reduzieren (Borgatti
et al. 2014, S. 9). Die negative Verbindung besteht darin, dass Alter systematisch
Verbindungsversuche von Ego blockiert oder zu unterbrechen versucht (zu sich
und zu dritten). Die Verhinderung von Zugängen zu Ressourcen impliziert einen
Zugangsversuch und somit eine interaktionistische Verbindung. Zusätzlich wird
der Blick auf die Beziehungsdyade um die Beziehungstriade erweitert (siehe
hierzu Heider 1946 und Kap. „Netzwerktheorie(n)“).
Obgleich der Verweis auf Stigmatisierung, Diskriminierung und Exklusion
naheliegt und in der Forschung zu Mobbing (engl. Bullying) ebenfalls von „nega-
tive ties“ gesprochen wird (z. B. Kaur und Singh 2015, S. 24), ist die Verbindung
zu dieser makrosoziologischen Perspektive nicht klar. Dies liegt daran, dass die
Eindeutigkeit der mikrosoziologischen Definitionskriterien (Verbindung, Negativi-
tät, Dyaden-Perspektive) in der Abstraktion makrosoziologischer Betrachtung
verloren geht. Zur Erläuterung: Das soziologische Begriffsinstrumentarium von
Exklusion und Ausgrenzung ist nicht mit negativen Beziehungsaspekten gleich-
zusetzen. Einerseits kann Diskriminierung vom Forschenden beobachtet werden,
aber zugleich den Individuen (Diskriminierender oder Diskriminierter) unbewusst
bleiben (keine wahrgenommene Negativität). Andererseits verweist die Ein-
führung der Beziehungstriade darauf, dass Diskriminierung stattfinden kann,
obwohl Ego und Alter nicht in direkter Interaktion miteinander stehen. Der Aus-
tausch über die diskriminierte Personengruppe führt dazu, dass eine Interaktion
mit dieser gar nicht erst in Erwägung gezogen wird (keine Verbindung).
Dass eine Verbindung zwischen Ego und Alter besteht, ist, wie oben dar-
gelegt, ein zentrales Definitionskriterium. Es bedarf jedoch einer Erklärung,
warum negative Verbindungen über längere Zeit fortbestehen können. Offer
und Fischer (2018, S. 3–6) geben hier zwei Möglichkeiten vor. Erstens werden
Beziehungen aus strategischen Kosten-Nutzen-Überlegungen aufrechterhalten.
Beispielsweise kann die Beziehung zu einem Augenarzt von strategischem Nut-
zen sein, wenn Ego häufig Augenbeschwerden hat, die nächste Augenarztpraxis
jedoch 50 km entfernt ist. Hier spart ein kurzes informelles Telefonat möglicher-
weise den aufwendigen Gang zum Augenarzt. Zweitens verfügt das Individuum
nur über einen eingeschränkten Zugang zu einem Pool an Interaktionspartnern
und ist daher nicht in der Lage, die belastete Interaktion zu beenden. Letztlich
kann eine Beziehung so sehr von Nutzen sein, dass die Kosten, d. h. die negati-
ven Aspekte der Beziehung, billigend in Kauf genommen werden. Beziehungen
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Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369