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114 M. Gamper
B erfährt, ahnt C nichts davon, dass B die Erkrankungen von A an ihn übertragen
könnte. Durch diese Art von Vernetzung kann sich eine Krankheit schnell über-
tragen und eine große Anzahl von Schüler*innen infizieren. Um Ansteckungen
zu vermeiden, ist es daher wichtig, das große Cluster „auseinanderzubrechen“,
sodass das Virus in seiner Verbreitung gestoppt werden kann. Hierzu muss das
Verhalten einiger Schüler*innen geändert werden (z. B. durch den Einsatz von
Verhütungsmitteln), da dann das Cluster in einzelne Ketten zerfällt und die
Ansteckung dadurch reduziert wird.
Wie das Beispiel verdeutlicht, ist die Netzwerkegrenze sozusagen das „Schul-
gelände“ der Jefferson High School. Analysiert werden daher auch „nur“ die
Romantik- und Sexualbeziehungen der Schüler*innen dieser Schule. Sexual- und
Romantikbeziehungen zu Personen außerhalb der Schule, wie z. B. Schüler*in-
nen in einer anderen Schule, werden hier nicht berücksichtigt. Hinzu kommt, dass
andere Beziehungsarten (z. B. Freundschaft), jenseits der Sexual- und Romantik-
beziehungen, nicht in die Analyse mit einfließen.
Die egozentrierte Netzwerkforschung unterliegt einer etwas anderen Logik.
Hier steht die interpersonale Vernetzung eines bestimmten Akteurs, dem Ego, im
Zentrum der Betrachtung. Aus der Sicht des Befragten ( = Ego) werden bestimmte
Personen und deren Beziehungen untereinander erfragt (Burt 1984; McCallis-
ter und Fischer 1978; Wellman 1979). Das egozentrierte Netzwerk besteht aus
Beziehungen des befragten Akteurs (Ego) zu anderen Akteuren in seinem Netz-
werk, den sogenannten Alteri, mit denen er direkt verwoben ist. Zum Teil wird
Ego in den Studien auch nach zu Relationen zwischen den Alteri befragt.
Zuerst wird Ego zu seiner subjektiven Sicht auf seine Beziehungen inter-
viewt. Hierbei muss er/sie Personen nennen, zu denen er bestimmte, meist vom
Forscher vordefinierte Beziehungen (z. B. zusammen rauchen, Sexualbeziehung,
Spritzenaustausch) unterhält. Diese Fragen werden auch Akteursgeneratoren
(dazu gehören z. B. Namensgeneratoren, Ressourcengeneratoren, Positions-
generatoren) genannt, da durch diese Netzwerkakteure generiert werden. Eine
vorgegebene Liste von Namen, wie bei der Gesamtnetzwerkanalyse, existiert
nicht. Dem Forscher sind die Namen der Kontaktpersonen vorab nicht bekannt
und eine klare Grenzziehung des Netzwerks fehlt. Daran anknüpfend wird Ego
aufgefordert, weitere Informationen zu den genannten Alteri (sogenannte Akteur-
sinterpretatoren) und zu seiner eigenen Person zu nennen. Das können z. B.
soziodemografische Angaben, Rauchverhalten oder der Gesundheitszustand sein.
In vielen Studien werden Ego auch Fragen zu den Beziehungen zwischen den
Alteri gestellt, z. B. inwieweit die Alteri in Kontakt untereinander stehen. Dies
ist nicht unbedingt nötig, wenn bestimmte statistische Maßzahlen oder Frage-
stellungen nicht als essenziell für die eigene Fragestellung betrachtet werden
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Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369