Page - 194 - in Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung
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194 H. von der Lippe und O. Reis
„Krankheit, Verlust des Gleichgewichts, meint nicht nur einen medizinisch-
biologischen Tatbestand, sondern auch einen lebensgeschichtlichen und
gesellschaftlichen Vorgang.“
(Gadamer 1965)
1 Einleitung: der thematische und paradigmatische
Rahmen sozialer Netzwerke und gesundheitlicher
Ungleichheiten im jungen und mittleren
Erwachsenenalter
Zu Beginn seiner einschlägigen Einführung in „Social Networks and Health“ for-
muliert Valente (2010) bereits ein zentrales Postulat, das auch für dieses Kapitel
grundlegend sein wird. Er konstatiert, dass die wissenschaftliche Beschäftigung
mit sozialen Beziehungsnetzen im Gesundheitskontext stets in einem interdis-
ziplinären Zugang zum Gegenstand sowie unter Beachtung einer Entwicklungs-
bzw. Lebensspannenperspektive erfolgen müsse. Dies ist eine anspruchsvolle
Forderung, bedeutet sie doch zum einen, dass man Netzwerke und Gesundheit
zugleich als ein soziologisches Thema (z. B. ungleich verteilt, schichtabhängig),
als ein psychologisches Thema (z. B. verhaltens- und persönlichkeitsabhängig)
sowie unter einigen anderen disziplinären Perspektiven mehr (z. B. epidemio-
logisch, biologisch-physiologisch, gesundheitswissenschaftlich) verstehen kann
und sollte (Interdisziplinarität des Gegenstandes). Und zum anderen bedeutet
Valentes Postulat auch, dass die Frage nach Netzwerkeffekten im Gesundheits-
kontext kaum allgemein für „den Menschen“ gestellt werden kann, sondern für
unterschiedliche Altersphasen oder Lagen im Lebenslauf zu unterschiedlichen
Ergebnissen kommen wird (Lebensspannenperspektive).
Auch wir werden in unserem Kapitel dieses sehr grundlegende Postulat Valen-
tes aufgreifen und uns mit der Gesundheits- und Ungleichheitsrelevanz von Netz-
werken aus einer psychologischen wie soziologischen Lebensspannenperspektive
beschäftigen. Dabei richten wir ein besonderes Augenmerk auf wechselseitige
Interaktionen zwischen Gesundheit, sozialer Ungleichheit und Netzwerken im
Kontext biografischer Übergänge, welche den Lebenslauf Erwachsener ent-
scheidend mitprägen (Lang et al. 2006), und fokussieren ausschließlich das junge
und mittlere Erwachsenenalter – hier grob definiert als die Alterspanne von etwa
20 bis 60 Jahren. Einen zweiten Schwerpunkt unserer Darstellung wird die Ent-
wicklungspsychologie der Lebensspanne ausmachen (Brandtstädter und Linden-
berger 2007), deren konzeptuelles Verständnis von Netzwerken und Gesundheit
bislang noch recht wenig Eingang in die Forschung gefunden hat.
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Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369