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202 H. von der Lippe und O. Reis
eine Partnerschaft durch Balancierung – etwa die Konstruktion gemeinsamer
Netzwerke – aufgefangen werden kann. Derartig verbundene Netzwerke (joint
networks) gehören dann zum sozialen Kapital einer Partnerschaft oder Familie.
Diese Form des sozialen Kapitals stabilisiert Paarbeziehungen und vertieft auch
die Abhängigkeit der PartnerInnen voneinander (Kalmijn und Bernasco 2001).
Über diesen Mechanismus können partnerschaftliche Netzwerke, ebenso wie der
berufliche Erfolg, Persönlichkeitsmerkmale wie die bereits erwähnte Normaffini-
tät (norm adherence) der PartnerInnen verstärken (Milardo und Allan 2000).
Die Theorie der Beziehungsturbulenz (relational turbulence, Solomon und
Knobloch 2004) zielt darauf ab, dass Transitionen und die mit ihnen einher-
gehenden Netzwerkveränderungen nicht ohne Auswirkung auf die proxima-
len Beziehungen – vor allem die Partnerschaft – bleiben. Viele Transitionen
oder Ereignisse im Erwachsenenalter können Partnerbeziehungen gefährden,
seien es berufliche Schwierigkeiten, ungewollte Kinderlosigkeit oder schwere
Erkrankungen (Nagy und Theiss 2013). Derartige Herausforderungen an die
Partnerschaft werden dann oft mit der Änderung von Beziehungsskripten (Nor-
men und Routinen) bewältigt, die adaptiv (z. B. gesundheitsförderlich), aber auch
maladaptiv (z. B. gesundheitsgefährdend) sein können. Mit der Theorie der Kri-
tischen Lebensereignisse (KLE; Filipp und Aymanns 1987) lässt es sich genauer
beschreiben, dass eine zentrale Aufgabe des Erwachsenenalters in der Bewältigung
derartiger Turbulenzen und der Aufrechterhaltung einer relativen Stabilität in der
Partnerschaft besteht. In der gesundheitswissenschaftlichen und sozialepidemio-
logischen Lebenslaufforschung wird gesehen, dass sich unbewältigte kritische
Lebensereignisse langfristig negativ auf die Gesundheit auswirken können (Step-
toe 1998, zit.n. Marmot 2000). Auch diese Theorien sind eher psychologischer
Natur, d. h. es fehlt ihnen an Einbettung in den Kontext der Entwicklung gesund-
heitlicher Ungleichheit. Kritische Lebensereignisse allerdings variieren in Häufig-
keit und Schweregrad in Abhängigkeit von der sozialen Herkunft.
Ausgehend von den genannten paradigmatischen Begriffen stehen für uns im
Folgenden diejenigen biografischen Übergänge im Vordergrund, an denen die
Veränderungen sozialer und gesundheitlicher Ungleichheiten sowie von Netz-
werken im Erwachsenenalter illustriert und diskutiert werden können. Exem-
plarisch werden dafür der Übergang zur Partnerschaft/Heirat, die Scheidung/
Trennung und der Auszug der eigenen Kinder aus dem Elternhaus heraus-
gegriffen. Diese Auswahl wird dadurch begründet, dass einerseits das Wechsel-
spiel soziologischer und psychologischer Effekte gut verdeutlicht werden kann
und dass diese Transitionen andererseits erhebliche Auswirkungen auf das Leben
und die Gesundheit im Erwachsenenalter haben können. Andere relevante Tran-
sitionen des Erwachsenenalters, wie der Übergang in die Erwerbslosigkeit
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Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369