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209Soziale
Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten …
4.2 Empty-Nest als Motor von Netzwerkeffekten
auf Gesundheit
Kinder spielen in den Netzwerken von Eltern eine nicht unerhebliche Rolle für
deren Gesundheit, wenn auch nicht klar ist, in welcher Funktion. Eltern partizi-
pieren stärker als Kinderlose an der Gesellschaft, ob bürgerschaftlich, politisch
oder religiös. Dieser „Kinder-Effekt“ geht mit dem Auszug derselben aus dem
Elternhaus größtenteils verloren (Pollmann-Schult 2011). Die Eltern-Kind-
Dyaden werden mit dem Auszug der Kinder aber meist nicht unterbrochen, son-
dern auf andere Kommunikationskanäle verschoben. US-amerikanische Eltern
beispielsweise erhöhten ihre elektronische Kommunikation mit den Kindern,
nachdem diese ausgezogen waren für etwa zwei Jahre (Tanis et al. 2017). Vor-
läufer depressiver Erkrankungen, wie Gefühle der Einsamkeit und des Verlas-
senseins, konnten so erfolgreich reduziert werden. In einer chinesischen Studie
wurde gezeigt, dass diese elektronische Art der Kommunikation für Ältere weni-
ger befriedigend ist als die direkte Interaktion (Sun et al. 2016) – was allerdings
wiederum von der Erreichbarkeit der Kinder abhing. Sind Kinder räumlich für
den direkten Kontakt erreichbar, wird die digitale Kommunikation als weniger
befriedigend empfunden.
Im Hinblick auf das erweiterte Netzwerk konnte Kalmijn (2003) für die
Niederlande zeigen, dass sowohl die Anzahl der Freunde von Eltern als auch
die Intensität des Kontaktes mit ihnen am geringsten ist, wenn die Kinder aus-
ziehen. Allerdings spielte für diesen Effekt wahrscheinlich auch das Alter der
Befragten eine Rolle, das in dieser Untersuchung nicht kontrolliert wurde. Ver-
glichen mit dem Gründen eines gemeinsamen Haushalts, der eine sprunghafte
Verkleinerung der Freundesnetzwerke zur Folge hatte, war der Auszug der Kin-
der aus dem Elternhaus für das Netzwerk weniger bedeutend. Wird jedoch der
Anteil gemeinsamer Freunde beider Eltern betrachtet, hat das leere Nest einen
eigenständigen Effekt. Die über die Lebensspanne kontinuierlich zunehmende
Verflechtung der Freundesnetzwerke beider Eltern erfährt eine sichtbare Steige-
rung, sobald die Kinder das Elternhaus verlassen. Dabei schöpfen die Eltern aus
dem Pool der sogenannten asymmetrischen Freundschaften, das heißt, es werden
insbesondere solche Freunde in das gemeinsame Netzwerk aufgenommen, die
vom Partner vor der Transition als Freunde des anderen benannt wurden – aber
nicht von den Betroffenen (Kalmijn 2003). Direkte Effekte auf Gesundheit oder
Partnerschaftszufriedenheit wurden in dieser Studie nicht berichtet.
Ein Mechanismus, über den das leere Nest mit Netzwerken und Gesund-
heit wechselwirken kann, führt über die Beeinflussung der elterlichen Partner-
schaft. Wenn es im Sinne des Turbulenzmodells (siehe Abschn. 2) nicht gelingt,
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Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369