Page - 243 - in Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung
Image of the Page - 243 -
Text of the Page - 243 -
243Soziale
Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten …
Selektivitätstheorie, auch bei abnehmender Netzwerkgröße erlebt werden. Eine
Erklärung dafür könnte in der Stabilität der Netzwerkpersonen, die, gemäß
der Theorie des sozialen Konvois, zum inneren Kern zählen, liegen. Für eine
abschließende Diskussion ist jedoch mehr Forschung hinsichtlich Anzahl und
Rollendiversität sozialer Beziehungen (Ellwardt et al. 2015), aber auch ande-
rer struktureller Netzwerkcharakteristika wie Netzwerkdichte und Brücken-
beziehungen erforderlich. Deutlich wurde zudem, dass bei der Analyse der
Zusammenhänge zwischen sozialem Netzwerk und Gesundheit der kulturelle
Kontext berücksichtigt werden muss (Li und Zhang 2015; Schwarzbach et al.
2014). Wichtig ist, dass sowohl funktionale als auch strukturelle Merkmale je
eigenständige Beiträge zur Varianzaufklärung gesundheitlicher Parameter im
Alter leisten können (Antonucci et al. 1999). Darüber hinaus wurde sichtbar, dass
die Zusammenhänge mit Gesundheit v. a. dann groß waren, wenn komplexe Maße
analysiert worden sind (z. B. sowohl Lebensform als auch Netzwerkintegration
und Erleben der Netzwerkbeziehung). Dies bedeutet, dass Forschungsdesigns,
die sich lediglich auf qualitative oder quantitative Netzwerkmerkmale konzent-
rieren, den eigentlichen Effekt der sozialen Einbettung potenziell systematisch
unterschätzen können. Es sollten also mehrere Indikatoren parallel getestet (Ell-
wardt et al. 2015) oder aber kombiniert werden, z. B. in Form von Netzwerktypo-
logien (Ellwardt et al. 2016). Bei der Bildung einer Typologie werden Personen
anhand verschiedener Merkmale ihrer Netzwerke klassifiziert, z. B. in Gruppen
mit großen funktionalen versus kleinen wenig funktionalen Netzwerken. Diese
Personengruppen können in einem weiteren Schritt hinsichtlich ihrer Gesund-
heit verglichen werden. Kritisch anzumerken ist ferner, dass häufig lediglich
Proxys zur Operationalisierung von sozialen Netzwerken herangezogen werden,
wie z. B. die Häufigkeit sozialer Kontakte oder die Haushaltszusammensetzung.
Dabei liegen durchaus Hinweise zum Mehrwert echter Netzwerkanalysen für
die Erklärung von Gesundheit im Alter vor (Li und Zhang 2015; Schwarzbach
et al. 2014; Youm et al. 2014). Längsschnittliche Analysen fokussieren bislang
vor allem die Testung von Netzwerkeffekten auf Gesundheit. Forschungslücken
bestehen bezüglich der Frage nach einer gegenteiligen Wirkrichtung, dem Ein-
fluss gesundheitlicher Verschlechterungen auf soziale Netzwerke.
Vorliegende Analysen zu Zusammenhängen der drei Bereiche „sozioöko-
nomischer Status“, „Gesundheit“ und „soziales Netzwerk“ konzentrieren sich
v. a. auf Depression sowie funktionale und subjektive Gesundheit. Das Sterb-
lichkeitsrisiko und Demenzerkrankungen sind hingegen weitgehend unerforscht.
Die Vermittlungsmechanismen von sozioökonomischem Status, Gesundheit und
sozialem Netzwerk im Alter können durch bisherige Studien nicht hinreichend
erklärt werden. Nach bisherigem Kenntnisstand erscheinen Moderatoreffekte von
back to the
book Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369