Page - 293 - in Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung
Image of the Page - 293 -
Text of the Page - 293 -
293Geschlecht
und gesundheitliche Ungleichheiten …
zeigen, dass spezifische Netzwerkeigenschaften, wie z. B. Homophilie, dafür
sorgen, dass sich spezifisches Gesundheitsverhalten wie auch Interventionen
zur Verbesserung des Gesundheitsverhaltens mehr oder weniger gut verbreiten
können (Valente 2012).
So untersuchten beispielsweise Grard et al. (2018) in einer Querschnittsstudie
Geschlechterunterschiede im Zigaretten-, Alkohol- und Cannabiskonsum bei 14-
bis 16-jährigen Jungen* und Mädchen* an 50 europäischen Schulen. Sie zeigen,
dass Mädchen* eine geringere Prävalenz im Substanzkonsum haben als Jungen*.
Aber auch das Geschlecht der Freund*innen spielt eine Rolle: Wenn Mädchen*
in ihren Netzwerken mehr Freund*innen des anderen Geschlechts haben (other
sex friendships, OSF), konsumieren sie eher eine der drei erhobenen Substan-
zen als Mädchen*, die mehr mit Mädchen* befreundet sind (same sex friend-
hips, SSF). Jungen* in OSF rauchen eher als Jungen* in SSF. Bei Alkohol- und
Cannabiskonsum gehen bei Jungen* allerdings SSF eher mit dem Konsum die-
ser Substanzen einher. Auch die Geschlechterzusammensetzung an der Schule
ist von Bedeutung: In Schulen, die männlich* dominiert sind, ist das Risiko des
Substanzkonsums für Jungen* und Mädchen* höher.
Im Unterschied dazu finden Deutsch et al. (2014a) in ihrer Analyse basie-
rend auf den Daten der National Longitudinal Study of Adolescent Health (Add
Health) aus den USA ein Jahr später keinen Einfluss der Geschlechterzusammen-
setzung der Freundschaftsnetzwerke auf das Trinkverhalten. So bestätigt sich
zwar die Hypothese der Autor*innen, dass der durchschnittliche Alkoholkonsum
im peer-Netzwerk einen Einfluss auf den Alkoholkonsum von Ego hat, allerdings
wird dies nicht vom Geschlecht (gender) moderiert. Die Autor*innen vermuten
hier Selektionseffekte: Mädchen* suchen sich demnach peers, die ein ähnli-
ches Trinkverhalten wie sie selbst aufweisen. Auch für das Geschlechterverhält-
nis in einer peer group konnte kein Einfluss auf den Alkoholkonsum von Ego
nachgewiesen werden: Höhere Anteile von männlichen* Jugendlichen im Netz-
werk führten entgegen der Annahme weder bei Jungen* noch bei Mädchen* zu
einem höheren Alkoholkonsum. Überraschender Weise erwies sich allerdings
die Nähe der Beziehungen als relevant auf den Alkoholkonsum: Sowohl bei Jun-
gen* (SSF) als auch bei Mädchen* (OSF) ging eine geringere freundschaftliche
Nähe zu männlichen* Freunden mit einem stärken Einfluss dieser Freunde auf
den Alkoholkonsum ein Jahr später einher. Die Nähe zu Freundinnen* wurde
auf diese Weise allerdings nur für Jungen* (OSF) bedeutsam. Die Autor*innen
schließen aus ihren Befunden, dass die Rolle des Geschlechts bei der Soziali-
sation mit Alkohol viel komplexer ist als bisher angenommen, und fordern die
Untersuchung einer Vielzahl von Beziehungen innerhalb eines Netzwerkes, auch
solcher, die weniger eng oder nicht reziprok sind. Zudem müssten die Kontexte in
back to the
book Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369