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318 G. Krug et al.
Ein weiterer Strang der Literatur untersucht die Auswirkungen von Arbeits-
losigkeit auf das Ausmaß der sozialen Unterstützung und auf Kontakthäufigkeit
mit Netzwerkmitgliedern. Laut Atkinson et al. (1986) sinkt durch Arbeitslosigkeit
sowohl die familiäre Unterstützung als auch die Kontakthäufigkeit zu Bekannten
und Freunden. Dabei zeigt eine getrennte Analyse nach Berufsstatus (Arbeiter
vs. Angestellte), dass die Kontakthäufigkeit nur bei den Arbeitern nachlässt. Die
Tatsache, dass Arbeiter stärker als Angestellte von finanziellen Einschränkungen
durch Arbeitslosigkeit betroffen sind, kann laut den Autoren diesen Befund nicht
vollständig erklären. Auch Gallie et al. (2001) belegen mit Daten aus mehreren
Ländern, dass sich Arbeitslose insgesamt häufig mit Freunden und Bekannten
treffen, dabei aber mit geringerer Wahrscheinlichkeit spezielle Unterstützungs-
leistungen erhalten, als Erwerbstätige. Röhrle und Hellmann (1989) berichten
in ihrer bereits erwähnten Analyse bei Lehrern weder von Effekten der Arbeits-
losigkeit auf die Häufigkeit noch auf die Intensität des Kontaktes. Dagegen waren
arbeitslose Lehrer mit ihrem Netzwerk zufriedener und erhielten mehr soziale
Unterstützung als ihre erwerbstätigen Kollegen.
Auch qualitative Analysen zeichnen das Auflösen oder das Wegfallen von
Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen bzw. Freundinnen und Freunden aus
der Arbeitswelt und die Reduktion auf den homogenen des Netzwerkes aus den
engsten (meist familiären) Alteri nach (Cattell 2001; Stead et al. 2001). Als Ursa-
che für die Verkleinerung und Homogenisierung von Netzwerken in Folge von
Arbeitslosigkeit wird die gesellschaftliche Stigmatisierung und Abwertung von
Arbeitslosen genannt (vgl. Knabe et al. 2017; Hirseland und Lobato 2014; Stead
et al. 2001).
Die bezeichneten Prozesse der Verkleinerung und Homogenisierung von
Netzwerken können sich negativ auf die Gesundheit auswirken. So beschreibt
etwa Cattell (2001) die gesundheitlichen Folgen dieser Strukturveränderungen
im Netzwerk auf Basis von 100 qualitativen Interviews mit von Arbeitslosig-
keit und Armut betroffenen Bewohnerinnen und Bewohnern Londons: Unter
den Befragten befinden sich viele Personen mit psychischen Erkrankungen und
sehr geringem Selbstbewusstsein, darunter viele Frauen, die sich in materieller
Abhängigkeit zu ihren Partnern befinden. Verkleinerung und Homogenisierung
der Netzwerke infolge von Arbeitslosigkeit befördern den Mangel an sozialer
Unterstützung, soziale Abhängigkeit und sozialen Druck. Gesundheitliche Pro-
bleme werden in Anbetracht dieser Dynamiken eher verschärft als abgemildert.
Insbesondere die fehlende Einbindung in Erwerbsarbeit führt zu einem negativen
Wohlbefinden aufgrund fehlender moralischer Unterstützung und fehlender sozia-
ler Gelegenheiten zum Aufbau von Selbstvertrauen.
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Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Title
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Subtitle
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Authors
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Editor
- Nico Vonneilich
- Publisher
- Springer VS
- Location
- Wiesbaden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Size
- 14.5 x 21.0 cm
- Pages
- 436
- Category
- Medien
Table of contents
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369