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I. Vorgeschichte: Sowjetische
Österreichplanung34
Zeit dominieren. Als Österreich nach dem Münchner Abkommen nicht mehr
im Zentrum des Interesses stand und sich die Sowjetunion an Deutschland
annäherte, nahm auch die Anzahl sowjetischer Stellungnahmen zur österrei-
chischen Frage immer mehr ab. Der als deutschfeindlich bekannte Litvinov
wurde schließlich am 4. Mai 1939 „auf eigenen Wunsch“ hin seines Amtes
enthoben und als Botschafter in die USA entsandt. Sein Nachfolger, Vjačeslav
Molotov, schien zur Exekution dieser neuen Linie in der sowjetischen
Außenpolitik besser geeignet. Spätestens die Unterzeichnung des Hitler-Sta-
lin-Paktes am 23. August 1939 machte deutlich, dass sich das anfängliche En-
gagement der Sowjetunion für ein unabhängiges Österreich relativiert hatte.7
Mit den militärischen Erfolgen der Deutschen Wehrmacht begann Mos-
kau zusehends die Bedrohung durch Hitler zu erkennen und den Kurs in der
Außenpolitik gegenüber Deutschland zu überdenken. Österreich spielte zu
diesem Zeitpunkt eine untergeordnete Rolle.8 Der deutsche Angriff auf die
Sowjetunion am 22. Juni 1941 führte schließlich dazu, dass die sowjetische
Führung nachweislich und offiziell ihre Haltung zum Nachkriegsstatus Ös-
terreichs definierte.9 In einem am 21. November 1941 an den sowjetischen
Botschafter in London, Ivan Majskij, gerichteten Telegramm erläuterte Volks-
kommissar Molotov die diesbezügliche Position Stalins.10 Dieser sei der Mei-
nung, so Molotov, „dass Österreich als unabhängiger Staat von Deutschland
abgetrennt“ und Deutschland selbst „in eine Reihe mehr oder minder selbst-
ständiger Staaten zerschlagen werden müsse“, um dadurch „eine künftige
Garantie für Frieden und Ruhe der europäischen Staaten zu schaffen“.11
Bei einem Treffen in Moskau am 16. Dezember 1941 bekräftigte Stalin
7 Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 17–20.
8 Siehe dazu und zum Folgenden Ruggenthaler, Warum Österreich nicht sowjetisiert werden sollte,
S. 73.
9 Filitov, Sowjetische Planungen zur Wiedererrichtung Österreichs, S. 28.
10 Molotov reagierte in dem Schreiben auf eine von Majskij weitergeleitete Anfrage englischer Kom-
munisten bezüglich der Rede Stalins vom 6. November 1941, worin sich Stalin auf das „Sammeln
der deutschen Länder“ bezogen hatte: „Solange sich die Hitlerleute mit dem Sammeln der deutschen
Länder und mit der Wiedervereinigung des Rheinlands, Österreichs u. Ä. beschäftigten, konnte man
sie mit gewisser Begründung als Nationalisten bezeichnen.“ Ministerstvo inostrannych del SSSR
(Hg.), Vnešnjaja politika Sovetskogo Sojuza v period Otečestvennoj vojny. Dokumenty i materialy.
Bd. 1. Moskau 1946, S. 43. Vgl. dazu: Vojtech Mastny, Russia’s Road to the Cold War. Diplomacy,
Warfare, and the Politics of Communism, 1941–1945. New York 1979, S. 52; Filitov, Sowjetische Pla-
nungen zur Wiedererrichtung Österreichs, S. 27; A. M. Filitov, Österreich, die Deutsche Frage und
die sowjetische Diplomatie (40–50er Jahre des 20. Jhs.), in: 200 Jahre Russisches Außenministerium.
Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs. 2003/50, S. 123–132, hier: S. 123.
11 AVP RF, F. 059, op. 1, p. 357, d. 2412, S. 21–24, Telegramm von V. Molotov an I. Majskij, 21.11.1941.
Abgedruckt in: Jochen P. Laufer – Georgij P. Kynin (Hg.), Die UdSSR und die deutsche Frage 1941–
1948. Dokumente aus dem Archiv für Außenpolitik der Russischen Föderation. Bd. 1: 22. Juni 1941
bis 8. Mai 1945. Berlin 2004, S. 12.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918