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I. Vorgeschichte: Sowjetische
Österreichplanung46
Am 22. November 1944 übermittelte Gusev erstmals einen sowjetischen
Entwurf, der eine genaue Zoneneinteilung enthielt, an Strang, Winant und
den amerikanischen Delegierten Eion Pelly Donaldson. Abweichend von den
bisherigen internen Planungen der Vorošilov-Kommission war demnach die
sowjetische Zone in Niederösterreich Richtung Westen vergrößert und die
Landbrücke zwischen der Westzone und Wien eliminiert worden. Außerdem
sollten Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg den USA zufallen,
während die Briten die westlichen Hälften Niederösterreichs und der Stei-
ermark sowie Kärnten besetzen sollten. Auffällig ist hierbei die „Schrägtei-
lung“ Niederösterreichs und der Steiermark, deren östliche Teile als sowjeti-
sche Zone vorgesehen waren. Wien wäre in den alten Stadtgrenzen solcherart
dreigeteilt worden, dass der nordöstliche Teil, aber auch die Innere Stadt und
der 3. Bezirk zur sowjetischen Zone gezählt hätten. Das übrige Wien sollte an
die beiden westlichen Alliierten übertragen werden.57
Dieser Vorschlag, der eine massive Beteiligung der Amerikaner einschloss,
ist insofern bemerkenswert, als weder der amerikanische Generalstab noch
Präsident Roosevelt Interesse an der Besetzung Österreichs gezeigt hatten,
mit Ausnahme eines symbolischen Kontingents in Wien. Monatelang hatte
ein britisch-amerikanischer Streit um die Besatzungszonen in Deutschland
die Beratungen der EAC dominiert, der auch die Überlegungen zu Österreich
beeinflusste: Derjenige, der Bayern besetzte, sollte auch Österreich westlich
der sowjetischen Zone besetzen. Nun forcierte jedoch die sowjetische Dele-
gation bei der EAC eine gleichwertige Teilnahme der USA an der Besetzung
Österreichs.58
In den folgenden Wochen setzten die sowjetische und britische Seite die
amerikanische EAC-Delegation stark unter Druck, einer eigenen Besatzungs-
zone in Österreich zuzustimmen. Der amerikanische Delegierte, der unter
den geradezu grotesken Koordinationsschwierigkeiten der zivilen und mi-
litärischen Führungsspitze in Washington zu leiden hatte, wandte sich selbst
auch die Eintragungen zum 22. August 1944 in: AVP RF, F. 7, op. 10, d. 159, S. 77–84. Aichinger
bestätigt darin indirekt Filitovs Hinweis auf Roščins „knappe Anmerkungen“, denen zufolge der
von der britischen Seite eingebrachte Vorschlag für die sowjetische Zone sogar ein größeres Gebiet
umfasste als von sowjetischer Seite vorgesehen. Vgl. Filitov, Sowjetische Planungen zur Wiederer-
richtung Österreichs, S. 34.
57 AVP RF, F. 0425, op. 1, p. 7, d. 41, S. 6f., Entwurf des Protokolls über die Besatzungszonen in Öster-
reich und die Verwaltung der Stadt Wien, 22.11.1944. Vgl. United States Department of State (Hg.),
Foreign Relations of the United States. Diplomatic Papers. 1944, Vol. I General. Washington, D. C.
1966, S. 471f., Winant an Dunn, 27.11.1944; Mueller, Die sowjetische Besatzung in Österreich, S. 32;
Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 403; Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 33, u. a. nennen
als Datum des sowjetischen Entwurfs den 13. November 1944.
58 Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 33; Stourzh, Um Einheit und Freiheit, S. 29.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918