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1. Der Wandel des Feindbildes: sowjetische Propaganda 93
tische Propaganda in Österreich. Die Sowjets setzten demnach zwei Kanäle
ein: einerseits Radioausstrahlungen über das Allunions-Radiokomitee der
UdSSR, andererseits von der PURKKA verteilte Flugblätter. Dabei gab das
Sowjetische Propagandabüro die Richtung vor und erteilte seinen Propagan-
daorganen im Ausland entsprechende Direktiven.108
Gemäß den vorliegenden Richtlinien bildete die Moskauer Deklaration
die Grundlage für die sowjetische Propaganda in Österreich. Auf ihrer Basis
wurde die Bevölkerung aufgerufen, ihren Anteil an der Rettung des Landes
zu leisten. Ein großes Anliegen der sowjetischen Seite bestand darin, „den
Österreichern bewusst zu machen, dass die Hitlerleute […] Österreich zu
einem Kriegsschauplatz gemacht hatten“. Außerdem sollte die Propaganda
die Eigenständigkeit Österreichs nach dem Motto betonen: „Die Österreicher
haben keine gemeinsamen Interessen mit den Deutschen. Die Hitlerleute sind
die Feinde des österreichischen Volkes, sie sind für die Einbeziehung Öster-
reichs in den Krieg verantwortlich.“109
Ein weiteres Ziel des Propagandabüros bestand darin, die Rolle der Ro-
ten Armee bei der Befreiung des österreichischen Volkes zu betonen und zu-
gleich der Bevölkerung zu verdeutlichen, dass sie dazu selbst ihren Beitrag
leisten müsse. Konkret bedeutete dies: alle notwendigen Vorbereitungen zu
treffen, um im entscheidenden Moment die Rote Armee zu unterstützen. Lis-
ten von „Verrätern, österreichischen Gestapo- und SS-Mitgliedern“ galten
in diesem Zusammenhang als besonders „hilfreich“. Den österreichischen
Wehrmachtsangehörigen empfahl man, zu desertieren oder zur Roten Armee
überzulaufen. Generell zielte die Propaganda darauf ab, Sabotageakte und
Widerstand gegen das NS-Regime zu provozieren.110
Konkret kamen diese Vorgaben folgendermaßen zur Umsetzung: Die
Radiosendungen, die fünfmal täglich mit einer Gesamtdauer von knapp an-
derthalb Stunden liefen, übertrugen Befehle Stalins, Informationen über den
Kriegsverlauf oder Namenslisten österreichischer Kriegsgefangener. Einen
„beträchtlichen Platz“ nahmen zudem die Aufrufe österreichischer Exilkom-
munisten oder Kriegsgefangener ein. Sie appellierten, wie etwa in der Sen-
dung am 14. Februar 1945 „Am Weg nach Wien“, die Zerstörung Wiens zu
verhindern und sich Evakuierungen zu entziehen.111
108 AVP RF, F. 06, op. 7, p. 32, d. 326, S. 14–21, Bericht von Smirnov und Chošev an Dekanozov über die
sowjetische und westalliierte Propaganda für Österreich, [März 1945].
109 Ebd.
110 Ebd.
111 Zur Rolle österreichischer Exilkommunisten und Kriegsgefangener bei der Propaganda 1943–1945
vgl. insbesondere: Lebedeva, Österreichische Kommunisten im Moskauer Exil; Jörg Morré, Umer-
ziehung in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft. Deutsche und Österreicher in der „Antifa“, in:
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918