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2. Carl Szokoll und die Sowjets: militärischer Widerstand in Wien 125
den ihn suchen und zurück ins Lager schicken. Am 21. Juni 1945 heiratete er
Christl Kukula, die Mutter seines im Jänner 1945 geborenen Sohnes Richard, in
der Wiener Votivkirche.261 Mitte Juli 1945 erhielt Szokoll über Kurt Bolen – ein
ehemaliger Vertrauensmann seiner Widerstandsorganisation und Mitarbeiter
der Wiener Polizei – einen Meldezettel, der auf „Kurt Stenzel“ ausgestellt war.262
Während der Sommermonate holte der sowjetische Geheimdienst wei-
tere Informationen über Szokoll ein, darunter etwa einen Auszug aus dem
Geburtsregister,263 seinen Meldezettel für die Wohnung im 19. Wiener Ge-
meindebezirk264 oder Szokolls Schreiben an Renner mit der Bitte, ihn nicht
weiter von der österreichischen Staatspolizei suchen zu lassen. Schließlich
würde er, so Szokoll, nichts gegen den österreichischen Staat und die ös-
terreichische Regierung unternehmen. Seine Verhaftung durch die Sowjets
erklärte Szokoll in diesem Brief damit, dass der Kommandeur einer „russi-
schen Partisaneneinheit“ allein für die Befreiung Wiens die Lorbeeren ernten
wollte, weswegen er, obwohl ihm nichts „nachgewiesen“ werden konnte, in
ein sowjetisches Lager eingewiesen worden wäre.265 Auch seinen Verdacht,
ein „Partisanenkommandeur“ namens „Mitja“ habe den Auftrag zu seiner
Festnahme gegeben, äußerte Szokoll gegenüber der „Smerš“. Es erscheint als
wahrscheinlich, dass er damit Mitja Gutov, ein kommunistisches Mitglied der
O5, meinte.266 Den genannten Brief schickte Szokoll angeblich jedoch nicht
ab, da ihm zwischenzeitlich Polizeivizepräsident Othmar Strobl267 die Einstel-
lung der polizeilichen Verfolgung zugesichert hatte.268
Ein weiterer an Renner adressierter Brief Szokolls geriet dem sowjetischen
Geheimdienst in die Hände. Darin verwies Szokoll auf sein wichtigstes Ziel:
261 Irina Simone Wanker, „Weder bin ich ein Heiliger noch ein Prophet – ein Verräter, haben manche
gesagt, andere ein Held …“. Gedenkschrift für Carl Szokoll 1915–2004. Wien 2005, S. 19.
262 CA FSB RF, K-109717, t. 1, S. 23, Verhörprotokoll von Carl Szokoll, 13.9.1945.
263 CA FSB RF, K-109717, t. 4, S. 33, Auszug aus dem Geburtsregister über Carl Szokoll, 21.6.1945.
264 CA FSB RF, K-109717, t. 4, S. 117, Meldezettel von Carl Szokoll, 18.8.1945.
265 CA FSB RF, K-109717, t. 4, S. 99f., auf Deutsch S. 101, Schreiben von Carl Szokoll an Karl Renner,
30.7.1945.
266 CA FSB RF, K-109717, t. 1, S. 6–14, Verhörprotokoll von Carl Szokoll, 11.9.1945. Abgedruckt in:
Karner – Duffek, Widerstand in Österreich, S. 205–207.
267 Szokoll bezeichnete Strobl während des Verhörs als Polizeipräsidenten. Er war jedoch ein „kom-
munistisch geschulter“ Polizeivizepräsident, der dem Polizeipräsidenten Ignaz Pamer über Antrag
der sowjetischen Besatzungsmacht beigestellt wurde. Vgl. Ulrike Wetz, Geschichte der Wiener Po-
lizeidirektion vom Jahre 1945 bis zum Jahre 1955 mit Berücksichtigung der Zeit vor 1945. Phil. Diss.
Wien 1970, S. 203.
268 CA FSB RF, K-109717, t. 1, S. 25f., Verhörprotokoll von Carl Szokoll, 13.9.1945. Die Staatspolizei
hatte elf ehemalige O5-Anhänger (aber nicht Bumballa) der Staatsanwaltschaft gemeldet und ihre
Anklage wegen Hochverrats verlangt. Auslöser dafür dürfte unter anderem an der provisorischen
Regierung Renner geübte Kritik gewesen sein. Die Untersuchung gegen Szokoll wurde ohne Ge-
richtsverfahren eingestellt. Vgl. Rathkolb, Raoul Bumballa, S. 305.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Stalins Soldaten in Österreich
- Subtitle
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Author
- Barbara Stelzl-Marx
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 874
- Categories
- Geschichte Nach 1918