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Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – Eine Lebensskizze 33
nie, das weiß ich, unangenehm werden können, sie würde immer meinen
kopf, meine eitelkeit und meine liebe für Alles, was elegant und distinguirt
ist, befriedigen, und auf dieses würde und müßte ich bey der Wahl einer le-
bensgefährtin vorzugsweise sehen.“1
neben diesen aus seiner eigenen Welt stammenden Partnerinnen hatte
Andrian aber auch häufige Beziehungen zu frauen aus dem theaterleben,
zu zufälligen bürgerlichen Bekannten oder zu damen aus der gehobenen
halbwelt. eine maitresse gehörte für ihn sowohl im Alltagsleben in mailand
und Wien wie auch bei seinen urlaubsreisen dazu, um das leben angenehm
und unterhaltsam zu machen. Zu einem Parisaufenthalt gehörte etwa eine
„femme entretenue“, denn sonst „langweilt man sich, ißt und lebt allein, muß
allein oder fast allein herumsteigen.“2 es waren somit zwei Bedürfnisse, die
Andrian durch seine Beziehungen zu frauen abzudecken versuchte. ein-
mal suchte er nach „einer Art interieur, nicht das der ehe, zu der ich jetzt
ebensowenig tauge wie sonst, sondern einer angenehmen, geistreichen mait-
resse.“ daneben betonte er aber auch, er sei „sehr empfänglich für den Werth
eines verhältnisses inniger Zuneigung und vollkommensten vertrauens zu
einer frau, von welcher man sich über Alles Andere geliebt weiß, und auf die
man sich unter allen umständen verlassen kann.“3 Bis an sein lebensende
blieb die suche nach einer weiblichen ergänzung seines lebens ein zentraler
Aspekt in Andrians tagebüchern.
ein halbes Jahr nach viktor v. Andrians tod am 25. november 1858 läu-
tete der verlorene krieg von 1859 den Anfang vom ende des österreichischen
neoabsolutismus ein. es ist müßig darüber zu spekulieren, ob und welche
rolle Andrian in der neuen konstitutionellen Welt der 1860er-Jahre gespielt
hätte. vermutlich wäre er auch hier nicht zum Zug gekommen. dem Bür-
gertum wäre er wohl zu elitär, seine an den britischen ideen des self-govern-
ment geformten vorstellung eines föderalismus mit einem starken Zentrum
zu aristokratisch erschienen. für den hohen Adel dagegen wäre er wahr-
scheinlich der mann von 1848 geblieben, dem darüber hinaus der makel des
fehlenden großgrundbesitzes anhaftete. Zudem trennte ihn von den föde-
ralistischen vertretern dieser gruppe, etwa von den gründern der Wiener
tageszeitung „vaterland“ um graf leo thun und von seinen cousins egbert
und richard Belcredi, seine tiefe Abneigung gegen die katholische kirche,
die er schon 1845 als „gebäude von trug, Aberglauben und knechtschaft“
bezeichnete. diese haltung änderte sich auch in seinen späteren lebens-
jahren nicht, im katholizismus lag für Andrian eine entscheidende Wurzel
1 ebda, eintrag v. 2.2.1842.
2 ebda, eintrag v. 13.7.1851.
3 ebda, einträge v. 24.1.1850 und 10.3.1857.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume I
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- I
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 744
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien