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Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – Eine Lebensskizze 35
Außerdem besaß er nicht den Willen, in einer ochsentour die karriereleiter
hinaufzusteigen und sich dabei die für höchste Aufgaben notwendigen und
vor allem von den entscheidungsträgern als notwendig erachteten kennt-
nisse anzueignen. darüber hinaus verweigerte er in entscheidenden situati-
onen von ihm verlangte politische kompromisse, wobei er die lage und seine
eigene stellung jeweils vollkommen falsch einschätzte. dadurch gelang es
ihm auch nie, eine größere politische Bewegung zu bilden oder einer solchen
in einflussreicher Position anzugehören. er fühlte sich zum führer, nicht
zum untergebenen berufen und meinte, auf jenen Zeitpunkt warten zu kön-
nen, an dem man ihn rufen müsste. Aus einer elitär-aristokratischen grund-
haltung heraus lehnte er ein entschiedenes engagement in der bürgerlichen
Welt des kapitalismus ab, durch seine fehlende ökonomische Basis fühlte
er sich aber auch im grundbesitzenden landadel nicht zuhause. sein aus-
geprägter Antikatholizismus verhinderte einen Anschluss an die katholisch
geprägte ständische Bewegung der 1850er-Jahre. so blieb er mit Ausnahme
des Jahres 1848, als er für kurze Zeit aktiv in das politische geschehen ein-
griff, ein Beobachter, ratgeber und kritiker von außen, der auf den richtigen
Zeitpunkt wartete, an dem ihm die Zügel der macht zufallen sollten. obwohl
er sich spätestens in seinen letzten lebensjahren bewusst war, dass es sich
hierbei um eine illusion handelte, die ihm in den wenigen kurzen momen-
ten, als sich ein tor zur teilhabe an der macht geöffnet hatte, die sicht auf
die realität und die damit verbundene kompromissbereitschaft verwehrt
hatte, war Andrian mit dem verlauf seiner persönlichen entwicklung zufrie-
den: „schlechtes, gemeines habe ich gottlob mir nie vorzuwerfen gehabt.“1
1 ebda, eintrag v. 1.11.1855.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume I
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- I
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 744
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien