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„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ - Tagebücher 1839–1858, Volume I
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7515. Jänner 1840 zu machen, denn großartiger, cosmopolitischer, grandioser als Pisino ist Wien auch nicht um ein haar, und nebstdem habe ich dort doch eine Be- schäftigung, welche mir hier oft sehr abgeht. der carneval hat hier begonnen, langweilig und todt, wie er überhaupt zu sein verspricht. Auf einem Ball beim französischen gesandten bewunderte ich seit mehreren Jahren wieder zum ersten male das heer von garstigen, sitzen bleibenden comtessen und die ennuyante und ennuyirte Phisionomie eines Wiener routs. fürst Pückler ist hier mit seiner Abyssinierin, die er hier in ein institut geben will,1 ich habe ihn aber noch nicht gesehen. heute schrieb mir gabriele von venedig, wo sie am 4. angekommen ist, sie ist sehr traurig und niedergeschlagen, so daß die herrlichkeiten venedigs keinen eindruck auf sie machten, diese erste Wirkung des heimwehs und des gefühles, sich zum ersten male allein unter fremden zu wissen, finde ich natürlich und aus meiner eigenen erinnerung begreiflich. flore schrieb mir gestern, sie amusirt sich unendlich. münchen ist ganz unglaublich bril- lant und von sehr vielen fremden besucht, also jedenfalls hundertmal gran- dioser als Wien, wäre ich nur dort und heraus aus dem schlamme und kothe des geliebten vaterlandes! [Wien] 15. Jänner vorgestern auf dem Balle beim russischen Botschafter sah ich den fürsten Pückler, dessen aristokratisches exterieur mir sehr gefiel, dann sah ich noch mucki Waldstein, der eben von triest ankömmt und mir sagte, der gouver- neur lasse mir sagen, bis zum 20. dieses monats könne ich hier bleiben, län- ger aber nicht. Beides machte auf mich entgegengesetzte, jedoch gleich tiefe und unangenehme eindrücke. in fürst Pückler sah ich einen mann, welcher ohne großes vermögen, bloß durch seinen kopf, seine feder und durch den muth, aus der Alltäglichkeit herauszutreten, sich eine grandiose existenz, einen europäischen namen gewonnen hatte, gerade so wie ich es wünsche, gerade so wie ich die kraft dazu in mir fühle und will’s gott auch den muth. in demselben Augenblicke aber empfing ich von der anderen seite eine rüde mahnung an meine prosaische existenz, einen eulenruf, welcher mich in meine finsterniß zurückrufen will. Wenn ich jetzt so den gedanken an meine rückkehr näher ins Auge fasse, als etwas nämlich, was sich binnen kurzer Zeit realisiren soll, so treten alle meine vormaligen, kaum unterdrückten Zweifel und gewissensängste wie- 1 hermann fürst Pückler hatte 1837 auf einem ägyptischen sklavenmarkt die 14jährige Abessinierin machbuba gekauft. sie starb 1840 kurz nach der rückkehr des fürsten auf dessen gut muskau in der lausitz an tuberkulose.
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„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ Tagebücher 1839–1858, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Subtitle
Tagebücher 1839–1858
Volume
I
Author
Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
Editor
Franz Adlgasser
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-78612-2
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
744
Keywords
Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
Category
Biographien

Table of contents

  1. Vorwort (Ffritz Fellner) 9
  2. Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – eine Lebensskizze 11
  3. Überlieferung der tagebücher 37
  4. Editionsrichtlinien 41
  5. Tagebücher 1839–1847 43
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