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Jänner 1841
umgekehrt solchen unausstehlichen kais. könig. enthusiasten gegenüber
ein Jacobiner und Frondeur; solch ein Enthusiast de commande ist General
Martini, der immer die ganze Welt für Österreich erobern möchte; da möchte
man das gelbe fieber kriegen.
überhaupt ist es eigentlich ein dummes geistloses, unverantwortliches
leben das man hier führt, bey tische alle tage eine ungewaschene Politick
von martini und consorten, wo ich schon gar nicht mehr mitrede, da jedes
Wort verloren wäre, dann 4–5 stunden theater, daß man vor langeweile
zerspringen möchte, und dazwischen ein Paar ennuyante logenvisiten, und
der beständige discurs von der cerrito, von donzelli, von Auftritten zwischen
dieser und jener theaterprinzessin, etc. ist das ein leben? Aber es muß an-
ders werden.
nach Westen, oh nach Westen hin,
Beflügle dich mein kiel!1
das gescheidteste aber wäre, ich heurathete eine stupend reiche frau und
établire mich dann in Paris oder sonst wo in einer stadt, wo ich weiß warum
ich lebe, und wozu mir gott der herr einen kopf gegeben hat, auf jeden fall
aber weg aus der österreichischen monarchie, wo ich immer unter den näm-
lichen leuten lebe und immer denselben Waldgesang höre, an den ich seit
ich denke gewöhnt bin.
Das alte Jahr wäre demnach zu Ende trotz aller sinistren Weißsagungen;
ich bereue es nicht, denn für mich war es kein verlohrenes, es hat mich mei-
nen Zwecken näher gebracht; das Jahr 1841 soll, wie ich hoffe, mich endlich
einen entschiedenen schritt thun sehen.
[mailand] 11. Jänner 1841a
es schneit nun schon seit 8 tagen beynahe ohne unterlaß, dabey ist es grim-
mig kalt und ein ganz deutscher Winter, mit dem unterschiede, daß man ihn
hier viel stärker empfindet, weil es kein mittel gibt, seine Zimmer ordentlich
zu erwärmen; in Wien sind 20, in Böhmen 25 Grad Kälte.
Am 6. d.i. am heiligen Dreikönigstag war wieder Theater bey Samoiloff;
man gab les premières armes de richelieu, voll Witz und énorme amusant,
jedoch mehr als ziemlich grivois; beinahe alle acteurs spielten ganz ausge-
zeichnet gut; nachher war ein magnifiquer Ball, der mit einem Menuett en
Costume durch die acteurs eröffnet wurde; das ganze Fest war superbe bis
auf die gesellschaft, welche, namentlich ihr männlicher theil, ganz entsetz-
1 Aus der Ballade columbus von marie louise Brachmann.
a Jahreszahl mit Bleistift eingefügt.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume I
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- I
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 744
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien