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März 1841
dann ging ich in die Peterskirche, stupend besonders durch die profu-
sion von Marmor; mich frappirte plötzlich und ganz unvorbereitet die Ähn-
lichkeit einer figur am mausoleum des Papstes Alexander 8. mit meiner
kleinen Pirovano, ich schämte mich beinahe aber gestehe doch, daß es eine
angenehme, beinahe wehmüthige Empfindung war; expellas furiae tamen
usque remanet.1 später ging ich auf unsere Botschaft im palazzo venezia,
und zwar zu litta, dem ich eine karte für graf lützow gab, der gerade nicht
da war; er sagte mir, Rom sey jetzt sehr belebt, das diplomatische Corps
gebe alle tage routs, soiréen, etc., machte mir mehrere Projeckte wegen
Presentationen, etc. Morgen werden wir das Weitere auskochen; wie ge-
wöhnlich reise ich auch dießmal, um mich zu amusiren und nicht um mich
wie ein engländer aus lauter gewissenhaftigkeit und seheifer zu tode zu
martern; ich werde daher ansehen, was ich ansehen kann, ohne mich zu gê-
niren, und vorzüglich daran denken, mich diese Zeit über so viel als möglich
zu amusiren; ohnehin wäre es eine Hundearbeit, in 2–3 Wochen Alles sehen
zu wollen, besonders wo die charwoche dazwischen kommt, wo nebstdem
auch noch alle Muséen etc geschlossen sind; leider sind ohnehin von jetzt
an alle Bilder in den Kirchen bis Ostern verhängt; diese sehe ich also nicht,
pazienza. litta erzählte mir, die neueste Post hätte als sehr wahrscheinlich
die Ernennung Spaurs nach Mailand gebracht; mir wäre das einerseits sehr
unangenehm, nähmlich weil er als chef sehr pedantisch, und ein besonde-
rer Feind von Urlaubsertheilungen ist; übrigens wäre es für mich ein großes
agrément.
nachher stieg ich mit hülfe eines Planes wie ein verzweifelter herum
und sah, freylich nur en passant, eine menge dinge, als: das Pantheon, fo-
rum trajanum, capitol, Arcus septimii severi, forum romanum, welches
mir mit seinen unzähligen majestätischen ruinen einen unbeschreiblichen
eindruck machte, colosseum, wo mich die scheußale von leidensstationen
unseres heilandes, die irgend eine dumme Bestie da hinein gesetzt hat, bei-
nahe in Wuth brachten, so wie das hölzerne crucifix was mitten darin steht,
das merkwürdigste specimen von pfäffischer strohdummheit, die päpstliche
residenz monte cavallo, die fontana trevi, etc. die Zeit verging mir hiebey
sehr schnell, aber ich kann mich nun beinahe nicht rühren vor müdigkeit.
nach 6 uhr kam ich, gerade zur table d’hote, nach hause, und traf da ein
Paar halbe Bekannte, 2 Puteani, der eine hofsecretair in Wien, und der An-
dere der mann der schönen, aber wahrscheinlich jetzt nur mehr schön gewe-
senen Puteani-Morzin; nach Tische las ich in einem Cafféhaus Zeitungen,
1 wohl Abwandlung des sprichworts: naturam expellas furca, tamen usque recurret (du
magst die natur mit gewalt austreiben, sie wird doch stets zurückkehren) – hier: du magst
die leidenschaft austreiben, sie bleibt doch stets zurück.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume I
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- I
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 744
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien