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Tagebücher144
und mit mir Alle, daß Spaur dort gar nicht an seinem Platze seyn wird; er ist
zu sehr Bureaucrat und zu wenig Weltmann, und in mailand ist der gouver-
neur eine Art von diplomatischer Posten.
[rom] 30. märz
Gestern regnete es beinahe den ganzen Tag; zudem thut mir seit ein paar
Tagen mein rechter Fuß so weh, daß ich beinahe nicht gehen kann; ich
fuhr daher meistens. gegen mittag ging ich auf unsere Botschaft ein wenig
schwätzen, und dann mit meinem neu acquirirten lohnbedienten, mit dem
ich bis nun recht zufrieden bin, die gallerien colonna und doria-Pamfili an-
sehen; im ersten Pallaste frappirten mich besonders einige portraits von Tin-
toretto und Paul veronese, ein Bether von tizian, dann magnifique elfen-
beinschnitzereien von einem deutschen, die Bilder der sixtinischen capelle
vorstellend, und endlich die superben Gobelins; im Palazzo Doria vornehm-
lich ein machiavel von Andrea del sarto, einige landschaften von coupin
und besonders von claude lorrain (il mulino), der tod Abels von salvator
rosa, 2 portraits von raffael, die heimsuchung maria’s von garofalo, eine
magnifique madonna von sassoferrato, eine santa famiglia von demselben,
das opfer Abrahams von titian, ein stück von teniers und das portrait der
königin Johanna von neapel von l. da vinci.
dann fuhr ich in den vatican, der heute Allen offen ist wie alle montage
und Donnerstage; in einem Tag, und noch dazu an einem des öffentlichen
Besuches, ist es unmöglich, Alles genau zu sehen, und so durchging ich alle
säle nur flüchtig und mit dem vorsatz wieder zu kommen. ich erstaunte
über den ungeheuren reichthum von kunstschätzen und über die immen-
sität und Pracht des gebäudes. unter den zahlreichen inschriften, statuen,
fragmenten, urnen und Alterthümern aller Art sah ich da den torso, den
meleager, Perseus, die lottatori von canova, den Antinous, laocoon, Apollo
von Belvedere und eine menge magnifique colossale urnen und vasen von
Porphyr, verde antico, etc., dann das egyptische museum, die galerie der
gobelins, die der al fresco gemalten landkarten der einzelnen theile von
italien etc., endlich die gemäldesammlung, welche nicht sehr zahlreich ist,
aber lauter Meisterwerke enthält; wie gesagt, ich hatte eine Indigestion von
Kunstwerken und keinen Cicerone mit, so daß ich Alles nur im Fluge sah;
zum schluß die berühmten loges de raphael mit den herrlichen fresken
von ihm; so eilig ich auch Alles das durchging, dauerte es doch 3 Stunden,
bis ich fertig war; zugleich mit mir war Don Miguel im Vatican, ich bemerkte
ihn aber in der foule von menschen nicht.
nach tische blieb ich zu hause und fuhr dann gegen 1/2 10 uhr zu graf
lützow, ich kam etwas spät und die salons waren nicht mehr besonders voll,
vornehmlich fremde, und zwar engländer, darunter einige recht hübsche
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume I
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- I
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 744
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien