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Tagebücher150
dann ging es immer weiter zwischen den trümmern einer colossalen zer-
störten Weltstadt, zu dem circus des romulus, dessen mauern noch fast
ganz bestehen; Torlonia, der Eigenthümer des Bodens, wollte die Ausgra-
bungen vornehmen lassen, weil aber in demselben christliche märtyrer ge-
blutet haben, so erlaubt der Papst ebenso wie im colliseum diesen frevel
an den heiligen gebeinen nicht. von hier aus zeigte sich unseren Augen das
überraschendste, großartigste, ergreifendste Bild, die immensen Aquaducte
des nero und der Aqua claudia und hinter ihnen die noch colossaleren und
gegenwärtig noch bestehenden Aquäducte der alten römer, welche noch
heute das Wasser von tivoli, tusculum und den Apenninen nach rom zur
fontana trevi führen, im hintergrunde die Berge viterbo’s, tivoli, tuscu-
lum, frascati, Albano, velletri, etc., vor und neben den Aquäducten zahl-
lose prachtvolle ruinen einzelner säulen und ganze säulenordnungen der
ehemaligen Palläste des alten Roms, dessen prächtigster Theil hier war; vor
uns die bosco sacro, ein kleines Wäldchen von lorbeerbäumen, der tempel
des Bacchus, das grabmal der von dem letzten horatier erstochenen schwe-
ster, die um den curiatier trauerte, das feld ihres blutigen dreikampfes,
der Baum der nymphe egeria mit den ruinen ihres tempels, das grabmal
der Priscilla, und hinter uns das neue Rom; welcher Anblick in der Welt läßt
sich mit diesem vergleichen? Als wir uns hieran satt gesehen hatten, fuhren
wir in die kirche san sebastiano und stiegen mit angezündeten fackeln und
einem Mönche der uns voran leuchtete, in die Catacomben hinunter; diese
haben 62 miglien Ausdehnung und reichen von ostia bis an die Apenninen,
so wenigstens wurde uns gesagt; sie sind voll Gräber und Gebeine meistens
der ersten Christen; wir kehrten aber bald um und fuhren nach dem gran-
diosen mausoleum der cecilia metella, wo wir noch ein mal jene grandiose
Aussicht genossen, und von da zu dem grabmal, eigentlich Piramide, des
Cajus Cestius; ich ging aber nicht hinein, sondern besah mir indessen den
englischen Friedhof mit seinen einfachen, rührenden Inschriften; dann ging
es zu der, im Jahre 1823 abgebrannten Basilica von sankt Paul, die jetzt
mit unglaublicher Pracht wieder aufgebaut wird, so unverantwortlich ver-
wenden diese Hunde-Pfaffen das Geld des Staats; der Kaiser von Österreich
hat dazu 300 immense granit säulen vom lagomaggiore geschenkt, die
zum theil schon stehen. hierauf wollte uns der lohnbediente Wenkheims,
ein spaßiger kautz, aus der guadeloupe gebürtig, französischer soldat und
lange in deutschland gewesen, also in keiner sprache verständlich, mit aller
gewalt von dem famosen romulus (roth) und remus (weiß) Wein kosten las-
sen, welcher auf dem hügel wächst, der aus rom’s unrath gebildet wurde,
und von dem der Wirth kraft eines eigenen gesetzes bey verlust des gewer-
bes Niemand mehr als eine Flasche geben darf, dit-on; beyde Weine kosteten
wir, sie waren excellent, jedoch sehr süß, wie Ausbruchweine.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume I
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- I
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 744
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien