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April 1841
zu fahren, und so geschah es trotz des zweifelhaften Wetters; Hans kam
noch während ich mich rasirte zu mir, um mich zu treiben; nachdem wir
dort gefrühstückt hatten, fuhren wir ab; der Weg geht durch die Porta San
lorenzo, bey der kirche gleichen nahmens vorbey (wo sich ein kirchhof mit
365 gräbern befindet, wovon alle tage eines geöffnet wird, und die todten
ohne unterschied hinein geworfen werden), streckenweise auf der alten via
tiburtina, von der man noch die großen ausgefahrenen Pflastersteine sieht,
durch eine ziemlich einförmige und unbebaute, unbewohnte, hügelige ge-
gend fort; zu Zeiten gab es Ruinen alter Gebäude, hie und da; wie man in
die nähe von tivoli, d.h. der sabinischen gebirge kommt, wird die gegend
schöner, und man fährt auf einer kleinen Brücke über den Bach solfatara,
dessen grünliches Wasser eine viertelstunde weiter einen unausstehlichen
Schwefelgeruch verbreitet; er kommt aus dem nicht weit von der Straße ge-
legenen See Tartaro und ist beständig heiß; sämmtliche Steine etc. in dieser
gegend sind schwarz ausgebrannt und zeugen von seiner vulcanischen na-
tur. nicht weit davon und hart an der straße ist das mausoleum der Plau-
tia, ganz dem der cecilia metella ähnlich, nur etwas kleiner, jedoch sehr
schön und vollkommen wohlerhalten, ja sogar zu Wohnungen restaurirt. Wir
fuhren vorerst in die villa hadriana und besahen uns die zahlreichen rui-
nen dieses ehemaligen kaiserlichen lustschlosses, das griechische theater,
den Pallast, die cento camere, eine ehemalige garde-caserne, den tempel
der venus, den der stoiker, und vor allem ein sehr gut conservirtes thea-
trum maritimum oder Naumachia; es wäre noch mehreres Andere weniger
interessante zu sehen gewesen, wir aber fuhren gleich den ziemlich hohen
Berg hinauf nach tivoli, nahmen dort einen führer, sahen einen zum theil
noch sehr wohl erhaltenen tempel der vesta und stiegen dann hinab in eine
wild romantische felsenschlucht, wo sich der Anio oder teverone durchar-
beitet und bis zum Jahre 1836 mitten im orte den berühmten Wasserfall
bildete; damals aber verschüttete ein Wolkenbruch di Grotta di Nettuno, de-
ren trümmer wir sahen, und um tivoli zu retten, mußte der jetzige Papst
dem Anio einen anderen Ausweg bahnen, indem er 2 lange, parallelle [sic]
Öffnungen durch die Felsen sprengte, wo er nun die Cascata novella bildet;
wir stiegen dann durch mehrere in die felsen gehauene galerien hindurch
zur grotta delle sirene hinab, in welche sich ein anderer Arm des Anio mit
großem gebrause hinein stürzt, und unten wieder zum vorschein kommt
und das ganze enge thal mit Wasserstaub anfüllt, welche bey sonnenschein
einen beständigen Regenbogen bilden; beyde Wasserfälle sind sehr schön,
aber doch mit den schönern der Schweitz nicht zu vergleichen; einen Vorzug
aber haben sie durch die üppige vegetation und die dichten olivenwälder
ringsherum, so wie durch die romantische Wildheit der gegend. von dort an
bestiegen wir esel und ritten zur cascata novella hinauf, um sie in der nähe
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume I
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- I
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 744
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien