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wie ›Unter dem Himmelsgewölbe ruht, wer keine Urne hat‹ und ›Zum
Himmel ist es von überall her gleich weit‹. Dieser Wagemut wäre ihm ohne
Gottes gnädigen Beistand nur allzu teuer zu stehen gekommen. Nach
Vespuccis Abreise durchstreifte er dann zusammen mit fĂĽnf Kameraden aus
dem Kastell zahlreiche Länder und gelangte schließlich durch einen
wunderbaren Zufall nach Taprobane und von dort nach Caliquit. Hier hatte er
das GlĂĽck, portugiesische Schiffe anzutreffen, auf denen er schlieĂźlich wider
Erwarten heimkehrte.«
Als Peter mit seiner Erzählung fertig war, dankte ich ihm für seine
Gefälligkeit und seine Bemühungen, mir die Unterhaltung mit einem Manne
zu ermöglichen, die mir seiner Meinung nach willkommen war, und wandte
mich Raphael zu. Wir begrĂĽĂźten einander, wechselten jene bei der ersten
Begegnung mit Fremden allgemein ĂĽblichen Redensarten und gingen dann in
meine Wohnung. Hier setzten wir uns im Garten auf eine Rasenbank und
fingen an, miteinander zu plaudern.
Da erzählte uns denn Raphael, wie er es zusammen mit seinen im Kastell
zurĂĽckgebliebenen Kameraden nach Vespuccis Abreise angestellt habe, durch
Freundlichkeiten und Schmeicheleien allmählich die Zuneigung der
Eingeborenen zu gewinnen, nicht nur ohne Gefahr, sondern auch in
Freundschaft unter ihnen zu leben und damit auch noch die Gunst und
Wertschätzung eines Fürsten – sein und seines Landes Name sei ihm entfallen
– zu erlangen. In seiner Freigebigkeit – so erzählte er weiter – versah dieser
ihn und fĂĽnf seiner Kameraden reichlich mit Lebensmitteln und Geld fĂĽr eine
Expedition, die sie dann zu Wasser mit Fahrzeugen und zu Lande mit Wagen
unternahmen und auf der sie ein höchst zuverlässiger Führer zu anderen
FĂĽrsten geleitete, an die sie warme Empfehlungsschreiben mithatten. Dann
gelangten sie nach einer Reise von vielen Tagen zu festen Plätzen, Städten
und gar nicht schlecht eingerichteten volkreichen Staaten. Zwar liegen unter
dem Äquator, wie Raphael erzählte, und von da aus auf beiden Seiten etwa
bis zur Grenze der Sonnenbahn wüste und der dörrenden Sonnenglut dauernd
ausgesetzte Einöden: Unwirtlichkeit ringsum und ein trostloser Anblick,
abschreckend alles und unkultiviert, Schlupfwinkel von wilden Tieren und
Schlangen oder schlieĂźlich auch von Menschen, die Bestien weder an
Wildheit noch an Gefährlichkeit nachstehen. Fährt man aber weiter, so wird
alles allmählich milder: das Klima weniger rauh, die Erde von einladendem
GrĂĽn schimmernd, zahmer die Natur der Lebewesen. Endlich bekommt man
Menschen, Städte und feste Plätze zu Gesicht, und unter ihnen herrscht ein
ununterbrochener Handelsverkehr, nicht nur untereinander und mit den
Nachbarn, sondern auch mit fernen Völkern, und zwar zu Wasser und zu
Lande.
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Utopia
- Title
- Utopia
- Author
- Thomas Morus
- Date
- 1516
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 106
- Keywords
- Utopie, Staat, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik