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Besitz als an Zahl der Personen, wie ja die Landwirtschaft vieler Hände
bedarf. Sie wandern aus, sage ich, aus ihren vertrauten und gewohnten
Heimstätten und finden keinen Zufluchtsort. Ihren gesamten Hausrat, der
ohnehin keinen großen Erlös bringen würde, auch wenn er auf einen Käufer
warten könnte, verkaufen sie um ein Spottgeld, wenn sie ihn sich vom Halse
schaffen müssen. Ist dann der geringe Erlös in kurzer Zeit auf der
Wanderschaft verbraucht, was bleibt ihnen dann schließlich anderes übrig, als
zu stehlen und am Galgen zu hängen – nach Recht und Gesetz natürlich –
oder sich herumzutreiben und zu betteln, obgleich sie auch dann als
Vagabunden eingesperrt werden, weil sie herumlaufen, ohne zu arbeiten? Und
doch will sie niemand als Arbeiter in Dienst nehmen, so eifrig sie sich auch
anbieten. Denn mit der Landarbeit, an die sie gewöhnt sind, ist es vorbei, wo
nicht gesät wird; genügt doch ein einziger Schaf- oder Rinderhirt als Aufsicht,
um von seinen Herden ein Stück Land abweiden zu lassen, zu dessen
Bestellung als Saatfeld viele Hände notwendig waren.
So kommt es auch, daß an vielen Orten die Lebensmittel wesentlich teurer
geworden sind. Ja, auch die Wolle ist so im Preis gestiegen, daß eure weniger
bemittelten Tuchmacher sie überhaupt nicht mehr kaufen können und dadurch
in der Mehrzahl arbeitslos werden. Nachdem man nämlich die Weideflächen
so vergrößert hatte, raffte eine Seuche eine unzählige Menge Schafe hinweg,
gleich als ob Gott die Habgier der Besitzer hätte bestrafen wollen mit der
Seuche, die er unter ihre Schafe sandte und die – so wäre es gerechter
gewesen – die Eigentümer selbst hätte treffen müssen. Mag aber auch die
Zahl der Schafe noch so sehr zunehmen, der Preis der Wolle fällt nicht, weil
der Handel damit, wenn man ihn auch nicht Monopol nennen darf, da ja nicht
bloß einer verkauft, sicher doch ein Oligopol ist. Die Schafe befinden sich
nämlich fast sämtlich in den Händen einiger weniger, und zwar eben der
reichen Leute, die keine Notwendigkeit dazu drängt, eher zu verkaufen, als es
ihnen beliebt, und es beliebt ihnen nicht eher, als bis sie beliebig teuer
verkaufen können. Wenn ferner auch die übrigen Viehsorten in gleicher Weise
im Preise gestiegen sind, so ist dafür derselbe Grund maßgebend, und zwar
hierfür erst recht, weil sich nämlich nach Zerstörung der Bauernhöfe und nach
Vernichtung der Landwirtschaft niemand mehr mit der Aufzucht von
Jungvieh abgibt. Jene Reichen treiben nämlich nur Schafzucht, ziehen aber
kein Rindvieh mehr auf. Sie kaufen vielmehr anderswo Magervieh billig auf,
mästen es auf ihren Weiden und verkaufen es dann für viel Geld weiter. Und
nur deshalb empfindet man, meine ich, den ganzen Schaden dieses Verfahrens
noch nicht in vollem Umfange, weil jene bis jetzt die Preise nur dort
hochgetrieben haben, wo sie verkaufen. Schaffen sie aber erst einmal eine
Zeitlang das Vieh schneller fort, als es nachwachsen kann, so nimmt dann
schließlich auch dort, wo es aufgekauft wird, der Bestand allmählich ab, und
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Utopia
- Title
- Utopia
- Author
- Thomas Morus
- Date
- 1516
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 106
- Keywords
- Utopie, Staat, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik