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nichts wissen wollten, als sie es aus meinem Munde hörten, eben das billigten
sie auf der Stelle, als es der Kardinal billigte, und zwar gingen sie in ihrer
Lobhudelei so weit, daß sie sich sogar die Einfälle seines Schmarotzers, die
sein Herr im Scherz nicht zurückwies, in schmeichlerischer Weise gefallen
ließen und sie beinahe für Ernst nahmen. Daraus kannst du ermessen, wie
hoch die Höflinge mich mit meinen Ratschlägen einschätzen würden.«
»In der Tat, mein lieber Raphael«, erwiderte ich, »deine Erzählung war ein
großer Genuß für mich; so klug und treffend zugleich hast du alles gesagt.
Außerdem war es mir währenddem so, als befände ich mich wieder in meiner
Heimat, und nicht bloß dies, sondern als erlebte ich gewissermaßen noch
einmal meine Kindheit, bei der angenehmen Erinnerung an jenen Kardinal, an
dessen Hofe ich als Knabe erzogen worden bin. Lieb und wert warst du mir ja
auch sonst schon, mein Raphael, aber um wieviel teurer du mir durch die so
hohe Ehrung des Andenkens an jenen Mann geworden bist, kannst du dir
kaum vorstellen. Im übrigen kann ich bis jetzt meine Ansicht in keinerlei
Weise ändern; ich bin vielmehr entschieden der Meinung, wenn du dich
entschließen könntest, deine Abneigung gegen die Fürstenhöfe aufzugeben,
so könntest du mit deinen Ratschlägen der Öffentlichkeit den größten Nutzen
stiften. Deshalb ist dies deine höchste Pflicht, die Pflicht eines braven
Mannes. Und wenn vollends dein Plato der Ansicht ist, die Staaten würden
erst dann glücklich sein, wenn entweder die Philosophen Könige seien oder
die Könige sich mit Philosophie befaßten, wie fern wird da das Glück noch
sein, wenn es die Philosophen sogar für unter ihrer Würde halten, den
Königen ihren guten Rat zuteil werden zu lassen.«
»Sie sind nicht so ungefällig«, antwortete er, »daß sie das nicht gern tun
würden – sie haben es ja auch schon durch die Veröffentlichung zahlreicher
Bücher getan –, wenn nur die Machthaber bereit wären, die guten Ratschläge
auch zu befolgen. Aber ohne Zweifel hat Plato richtig vorausgesehen, daß die
Könige nur dann die Ratschläge philosophierender Männer gutheißen werden,
wenn sie sich selbst mit Philosophie beschäftigen. Sind sie doch von Kindheit
an mit verkehrten Meinungen getränkt und von ihnen angesteckt, was Plato in
eigener Person am Hofe des Dionysius erfahren mußte. Oder meinst du nicht,
ich würde auf der Stelle fortgejagt oder verspottet werden, wenn ich am Hofe
irgendeines Königs gesunde Maßnahmen vorschlüge und verderbliche Saaten
schlechter Ratgeber auszureißen versuchte?
Wohlan, stelle dir vor, ich lebte am Hofe des Königs von Frankreich und
säße mit in seinem Rate, während man in geheimster Zurückgezogenheit
unter dem Vorsitze des Königs selbst in einem Kreise der klügsten Männer
mit großem Eifer darüber verhandelt, mit welchen Ränken und
Machenschaften der König es fertig bringen kann, Mailand zu behaupten,
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Utopia
- Title
- Utopia
- Author
- Thomas Morus
- Date
- 1516
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 106
- Keywords
- Utopie, Staat, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik