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denn seine Sicherheit beruht darauf, daß sein Volk nicht durch Reichtum oder
Freiheit übermütig wird, weil beides eine harte und ungerechte Herrschaft
weniger geduldig ertragen läßt, während anderseits Armut und Not
abstumpfen, geduldig machen und den Untertanen in ihrer Bedrängnis den
großzügigen Geistesschwung der Empörung nehmen.
Nun stelle dir wieder vor, ich stünde jetzt noch einmal auf und behauptete,
alle diese Pläne seien für den König unehrenhaft und verderblich; denn nicht
nur seine Ehre, sondern auch seine Sicherheit beruhe weniger auf seinem
eigenen Reichtum als auf dem seiner Untertanen. Ich würde dann weiter
ausführen, daß sich diese einen König nicht in dessen, sondern in ihrem
eigenen Interesse wählen, um nämlich, dank seiner eifrigen Bemühung, selber
in Ruhe und Sicherheit vor Gewalttaten zu leben. Deshalb hat der Fürst, so
würde ich weiter sagen, die Pflicht, mehr auf seines Volkes Wohlergehen als
auf sein eigenes bedacht zu sein, genau so wie es die Pflicht eines Hirten ist,
mehr für die Ernährung seiner Schafe als für seine eigene zu sorgen,
wenigstens in seiner Eigenschaft als Schafhirt. Denn in der Armut des Volkes
einen Schutz zu sehen, ist, wie schon die Erfahrung lehrt, ein gewaltiger
Irrtum. Wo könnte man nämlich mehr Zank und Streit finden als unter
Bettlern? Und wer ist eifriger auf Umsturz bedacht als der, dem seine
augenblickliche Lage so gar nicht gefallen will? Oder wen beseelt schließlich
ein kühneres Verlangen nach einem allgemeinen Durcheinander, in der
Hoffnung auf irgend welchen Gewinn, als den, der nichts mehr zu verlieren
hat? Sollte nun aber wirklich ein König von seinen Untertanen so sehr
verachtet oder gehaßt werden, daß er sie nicht anders im Zaume halten kann,
als indem er mit Mißhandlungen, Ausplünderung und Güterparzellierung
gegen sie vorgeht und sie an den Bettelstab bringt, dann wäre es wirklich
besser für ihn, er legte seine Herrschaft nieder, als daß er sie mit Hilfe solcher
Künste behauptet; sie retten ihm wohl den Namen seiner Herrschaft, aber
ihrer Erhabenheit geht er bestimmt verlustig. Denn es ist eines Königs nicht
würdig, über Bettler zu herrschen, sondern vielmehr über reiche und
glückliche Menschen. Eben das meint sicherlich der hochgemute und geistig
überlegene Fabricius mit der Antwort, er wolle lieber Reichen gebieten als
selber reich sein. Und in der Tat! Als einzelner in Vergnügen und Genüssen
schwimmen, während ringsherum andere seufzen und jammern, das heißt
nicht Hüter eines Thrones, sondern eines Kerkers sein. Kurzum: wie es
demjenigen Arzte an jeder Erfahrung fehlt, der eine Krankheit nur durch eine
andere zu heilen versteht, so mag der seine völlige Unfähigkeit zur Herrschaft
über Freie ruhig eingestehen, der das Leben der Staatsbürger nur dadurch zu
bessern weiß, daß er ihnen nimmt, was das Leben lebenswert macht. Ja
wahrhaftig, er soll doch lieber seine Trägheit oder seinen Stolz aufgeben;
denn diese Laster ziehen ihm in der Regel die Verachtung oder den Haß
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Utopia
- Title
- Utopia
- Author
- Thomas Morus
- Date
- 1516
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 106
- Keywords
- Utopie, Staat, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik