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seines Volkes zu. Er soll rechtschaffen von seinen Mitteln leben und seine
Ausgaben den Einnahmen anpassen. Er soll ferner die Missetaten
einschränken und lieber durch richtige Belehrung seiner Untertanen verhüten,
als sie erst anwachsen zu lassen und dann zu bestrafen. Gesetze, die
gewohnheitsmäßig aus der Übung gekommen sind, soll er nicht aufs
Geratewohl erneuern, zumal wenn sie schon lange nicht mehr angewendet
und niemals vermißt worden sind. Er soll auch niemals für ein derartiges
Vergehen eine Geldstrafe einziehen, was der Richter auch einem Privatmanne
als unbillig und unlauter untersagen würde. Ferner würde ich jenen Ratgebern
ein Gesetz der Macarenser mitteilen, die gleichfalls nicht eben weit von
Utopia entfernt wohnen. An dem Tage seiner Regierungsübernahme
verpflichtet sich nämlich ihr König unter Darbringung feierlicher Opfer
eidlich, nie auf einmal mehr als tausend Pfund Gold oder den entsprechenden
Wert in Silber in seinen Kassen zu haben. Diese Bestimmung soll ein
vortrefflicher König getroffen haben, dem das Wohl seines Landes mehr als
sein persönlicher Reichtum am Herzen lag. Mit dieser Maßnahme wollte er in
seinem Volke einer Geldknappheit infolge Anhäufung einer zu großen
Geldsumme vorbeugen. Er sah nämlich ein, dieser Betrag werde für den
Monarchen groß genug sein zum Kampfe gegen die Rebellen und groß genug
für die Monarchie zur Abwehr feindlicher Angriffe; dagegen sei er nicht groß
genug, um zu Einfällen in fremdes Gebiet Lust zu machen. Das war der
hauptsächlichste Grund für den Erlaß des genannten Gesetzes. Der nächste
Grund aber war, daß jener König glaubte, auf diese Weise einen Mangel an
den Zahlungsmitteln verhütet zu haben, die täglich im Handelsverkehr der
Bürger im Umlauf waren. Auch war er der Ansicht, ein König werde bei allen
unvermeidlichen Ausgaben, die den Staatsschatz über das gesetzliche Maß
hinaus belasten, keine Möglichkeiten zu einer gewaltsamen Maßnahme
suchen. Einen solchen König werden die Bösen fürchten und die Guten
lieben. Würde ich also dies und noch mehr dergleichen bei Leuten
vorbringen, die leidenschaftlich den entgegengesetzten Grundsätzen huldigen,
was für tauben Ohren würde ich da wohl predigen?«
»Stocktauben, ohne Zweifel«, erwiderte ich. »Und in der Tat, darüber
wundere ich mich auch gar nicht. Auch will es mir, um die Wahrheit zu sagen,
nicht angebracht erscheinen, derartige Reden zu halten und solche Ratschläge
zu erteilen, die, wie man sicher weiß, niemals befolgt werden. Was könnte
denn auch der Nutzen einer so ungewöhnlichen Rede sein, oder wie sollte sie
überhaupt eine Wirkung ausüben auf Leute, die von einer ganz anderen
Überzeugung voreingenommen und tief durchdrungen sind? Unter lieben
Freunden, im vertraulichen Gespräch, ist solches theoretisches Philosophieren
nicht ohne Reiz, aber in einem Rate von Fürsten, wo mit gewichtiger
Autorität über Fragen von Bedeutung verhandelt wird, ist für so etwas kein
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book Utopia"
Utopia
- Title
- Utopia
- Author
- Thomas Morus
- Date
- 1516
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 106
- Keywords
- Utopie, Staat, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik