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sein, wie das Feuer die Ursache der Hitze ist, ohne Zweifel ist die Wirkung in
beiden Fällen die, daß ein Mensch, der sich einer eisernen Gesundheit erfreut,
ein Vergnügen empfinden muß. Außerdem, so sagen sie, wenn wir essen, was
geschieht da anderes, als daß die Gesundheit, die allmählich erschüttert
worden war, im Bunde mit der Speise gegen den Hunger ankämpft? Während
der betreffende Mensch selbst dabei wieder erstarkt und seine gewohnte Kraft
wiedererlangt, bereitet ihm die Gesundheit jenes Vergnügen, das uns so
erquickt. Wird nun aber die Gesundheit, die sich schon während des Kampfes
freut, nicht erst recht froh sein, wenn sie den Sieg errungen hat? Ist sie
endlich wieder glücklich im Besitze ihrer alten Stärke, um die allein sie den
ganzen Kampf geführt hat, wird sie dann etwa gefühllos werden und ihr
Glück nicht erkennen und keinen großen Wert darauf legen? Daß man
nämlich sagt, man könne die Gesundheit nicht empfinden, ist nach Meinung
der Utopier ganz falsch. Wer empfindet denn nicht, so sagen sie, wenn er
nicht gerade schläft, daß er gesund ist, außer dem, der es eben nicht ist? Wer
liegt in so festen Banden des Stumpfsinns oder der Lethargie, daß er nicht
zugeben sollte, die Gesundheit bereite ihm Freude und Genuß? Was ist aber
Genuß anderes als eine andere Bezeichnung für Vergnügen?
Nach alledem schätzen die Utopier besonders die geistigen Vergnügen; sie
halten sie nämlich für die ersten und wesentlichsten von allen, und in der
Hauptsache entstehen sie nach ihrer Meinung aus der Übung der Tugend und
dem Bewußtsein eines rechtschaffenen Lebenswandels. Unter den
körperlichen Vergnügen stellen sie die Gesundheit an erste Stelle; denn die
Annehmlichkeit des Essens und Trinkens und alle anderen Ergötzlichkeiten
der Art betrachten sie zwar als erstrebenswert, aber nur um der Gesundheit
willen. Solcherlei nämlich sei nicht an und für sich erfreulich, sondern nur
insofern, als es einer sich heimlich einschleichenden Krankheit
entgegenwirke. Wie deshalb der Verständige eher Krankheiten vorbeugen als
nach Arznei verlangen und lieber die Schmerzen beseitigen als zu
Trostmitteln greifen müsse, so sei es besser, man habe diese Art Vergnügen
gar nicht nötig, als daß man darin ein Linderungsmittel erblicke. Sollte
wirklich jemand in dieser Art Vergnügen sein Glück sehen, so müsse er
notwendig zugeben, er werde dann erst am glücklichsten sein, wenn ihm ein
Leben in beständigem Hunger, Durst, Jucken, Essen, Trinken, Kratzen und
Reiben beschieden sei. Daß ein solches Leben aber nicht bloß häßlich,
sondern auch jämmerlich wäre, sieht jeder ein. Diese Genüsse sind in der Tat
die niedrigsten, weil sie keineswegs reiner Natur sind; denn immer sind sie
von den entgegengesetzten Schmerzen begleitet. So ist mit dem Genuß des
Essens der Hunger verbunden, und zwar in einem recht ungleichen Verhältnis.
Denn der Schmerz ist nicht nur heftiger, sondern hält auch länger an, da er ja
eher als das Vergnügen entsteht und erst zusammen mit ihm vergeht.
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Utopia
- Title
- Utopia
- Author
- Thomas Morus
- Date
- 1516
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 106
- Keywords
- Utopie, Staat, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik