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Utopia
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zugleich aber werde er ein frommes und heiliges Werk vollbringen, da er ja in diesem Falle nur den Rat der Priester, der Deuter des göttlichen Willens, befolge. Wer sich nun dadurch überreden läßt, stirbt entweder freiwillig den Hungertod oder läßt sich betäuben und wird so ohne eine Todesempfindung erlöst. Gegen seinen Willen aber bringen die Utopier niemanden ums Leben; auch lassen sie es keinem trotz seiner Weigerung, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, an irgendeinem Liebesdienst fehlen. Sich überreden zu lassen und so zu sterben, gilt als ehrenvoll. Wer sich aber das Leben nimmt aus einem Grunde, den Priester und Senat nicht billigen, den hält man weder der Beerdigung noch der Verbrennung für würdig; zu seiner Schande läßt man ihn unbestattet und wirft ihn in irgendeinen Sumpf. Das Weib heiratet nicht vor dem 18., der Mann aber erst nach erfülltem 22. Lebensjahre. Wenn ein Mann oder ein Weib vor der Ehe geheimen Geschlechtsverkehrs überführt wird, so trifft ihn oder sie strenge Strafe, und beide dürfen überhaupt nicht heiraten, es sei denn, daß der Bürgermeister Gnade für Recht ergehen läßt. Aber auch der Hausvater und die Hausmutter, in deren Hause die Schandtat begangen wurde, sind in hohem Maße übler Nachrede ausgesetzt, da sie, wie man meint, ihre Pflicht nicht gewissenhaft genug erfüllt haben. Die Utopier ahnden dieses Vergehen deshalb so streng, weil sich, wie sie voraussehen, nur selten zwei Leute zu ehelicher Gemeinschaft vereinigen würden, wenn man den zügellosen Geschlechtsverkehr nicht energisch unterbände; denn in der Ehe muß man sein ganzes Leben mit nur einer Person zusammen verbringen und außerdem so mancherlei Beschwernis geduldig mit in Kauf nehmen. Ferner beobachten sie bei der Auswahl der Ehegatten mit Ernst und Strenge einen Brauch, der uns jedoch höchst unschicklich und überaus lächerlich vorkam. Eine gesetzte, ehrbare Matrone zeigt nämlich dem Freier das Weib, sei es ein Mädchen oder eine Witwe, nackt; und ebenso zeigt anderseits ein sittsamer Mann den Freier nackt dem Mädchen. Diese Sitte fanden wir lächerlich, und wir tadelten sie als anstößig; die Utopier dagegen konnten sich nicht genug über die auffallende Torheit all der anderen Völker wundern. Wenn dort, so sagten sie, jemand ein Füllen kauft, wobei es sich nur um einige wenige Geldstücke handelt, ist er so vorsichtig, daß er sich trotz der fast völligen Nacktheit des Tieres nicht eher zum Kaufe entschließt, als bis der Sattel und alle Reitdecken abgenommen sind; denn unter diesen Hüllen könnte ja irgendeine schadhafte Stelle verborgen sein. Gilt es aber, eine Ehefrau auszuwählen, eine Angelegenheit, die Genuß oder Ekel fürs ganze Leben zur Folge hat, so geht man mit solcher Nachlässigkeit zu Werke, daß man das ganze Weib kaum nach einer Handbreit seines Körpers beurteilt. Man sieht sich nichts weiter als das Gesicht an – der übrige Körper ist ja von der Kleidung verhüllt –, und so bindet man sich an die Frau und setzt sich 77
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Utopia
Zur englischen Version
Title
Utopia
Author
Thomas Morus
Date
1516
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
106
Keywords
Utopie, Staat, Religion
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorrede 4
  2. Teil 1 8
    1. Rede des trefflichen Raphael Hythlodeus über den besten Zustand des Staates, veröffentlicht von dem erlauchten Thomas Morus, Bürger und Vicecomes der rühmlich bekannten britischen Haupstadt London. 9
  3. Teil 2 40
    1. Des Raphael Hythlodeus Rede über den besten Zustand des Staates 41
    2. Die Städte, namentlich Amaurotum 44
    3. Die Obrigkeiten 47
    4. Die Handwerke 48
    5. Der Verkehr der Utopier miteinander 53
    6. Die Reisen der Utopier 58
    7. Die Sklaven 76
    8. Das Kriegswese 84
    9. Die Religion der Utopier 92
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