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die Reue des einen und die pflichteifrige Zuneigung des anderen Teiles das
Mitleid des Bürgermeisters, so daß er dem schuldigen Gatten wieder die
Freiheit erwirkt. Wer aber dann rückfällig wird, muß mit dem Leben büßen.
Für die übrigen Verbrechen sieht das Gesetz keine bestimmten Strafen vor,
sondern der Senat setzt in jedem Falle, je nachdem ihm das Vergehen schwer
erscheint oder nicht, die Strafe fest. Die Männer züchtigen ihre Frauen und
die Eltern ihre Kinder, wenn die Missetat nicht so schlimm ist, daß das
Interesse der Moral eine öffentliche Bestrafung verlangt. In der Regel ahndet
man die schwersten Verbrechen mit Zwangsarbeit; denn man ist der Meinung,
das sei für die Verbrecher nicht weniger hart und zugleich für den Staat nicht
weniger vorteilhaft, als wenn man die Schuldigen schleunigst abschlachte und
stracks aus dem Wege schaffe. Einmal nämlich bringt ihre Arbeit mehr
Nutzen als ihre Hinrichtung, und sodann schrecken sie durch ihr warnendes
Beispiel für längere Zeit andere von ähnlicher Untat ab. Sollten sie sich aber
in solcher Lage widersetzlich und aufsässig benehmen, so schlägt man sie
schließlich tot wie wilde Tiere, die weder Kerker noch Ketten bändigen
können. Denen aber, die sich geduldig fügen, nimmt man nicht gänzlich jede
Hoffnung. Wenn nämlich eine lange Leidenszeit ihren Widerstand gebrochen
hat und wenn sie eine Reue zur Schau tragen, die bekundet, daß sie ihre
Schuld mehr drückt als ihre Strafe, so wird ihre Zwangsarbeit bisweilen durch
ein Wort des Bürgermeisters, bisweilen aber auch durch Volksbeschluß
entweder erleichtert oder erlassen.
Wer zur Unzucht verleitet, setzt sich ebenso großer Gefahr aus wie der, der
sie begeht. Bei jeder Schandtat kommt nämlich in den Augen der Utopier der
bestimmte und wohlüberlegte Versuch der Tat selbst gleich; denn, so meinen
sie, was den Versuch nicht zur Tat werden ließ, darf dem nicht zum Vorteil
gereichen, an dem es gar nicht gelegen hat, daß der Versuch nicht zur Tat
wurde. – Possenreißer machen den Utopiern viel Spaß. Sie zu beleidigen ist in
ihren Augen eine große Ungehörigkeit. Doch finden sie nichts dabei, wenn
man sich mit ihrer Torheit einen Spaß macht; denn das ist nach ihrer Meinung
für die Possenreißer selber von größtem Vorteil. Ist aber jemand so ernst und
finster, daß er über nichts, was ein Narr tut oder spricht, lacht, so darf man
ihrer Ansicht nach einen Narren seiner Obhut nicht anvertrauen; sie fürchten
nämlich, er werde ihn nicht nachsichtig genug behandeln, weil er von ihm
nicht nur keinen Nutzen, sondern nicht einmal Erheiterung haben werde, und
diese Begabung ist ja seine einzige Stärke.
Einen Mißgestalteten und Krüppel zu verlachen, ist nach Meinung der
Utopier schimpflich und häßlich, und zwar nicht für den, der verspottet wird,
sondern für den Spötter; denn dieser ist so töricht, jemandem etwas als Fehler
zum Vorwurf zu machen, was zu vermeiden gar nicht in seiner Macht lag.
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Utopia
- Title
- Utopia
- Author
- Thomas Morus
- Date
- 1516
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 106
- Keywords
- Utopie, Staat, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik