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Mit solchem Nachdruck rächen die Utopier ein ihren Freunden zugefügtes
Unrecht, auch wenn es sich dabei nur um Geld handelt; in ihren eigenen
Angelegenheiten dagegen zeigen sie nicht den gleichen Eifer. Wenn sie
nämlich einmal irgendwo betrogen werden und eine Einbuße an Geld und Gut
dabei erleiden, so gehen sie in ihrem Zorn, vorausgesetzt, daß mit dem Verlust
kein Schaden an Leib und Seele verbunden ist, nur so weit, daß sie bis zur
Leistung von Genugtuung mit dem betreffenden Volke keinen Handel mehr
treiben. Dabei liegen ihnen die Interessen ihrer Mitbürger nicht etwa weniger
am Herzen als die ihrer Genossen; über deren Geldverlust aber sind sie
trotzdem deshalb aufgebrachter, weil die Kaufleute ihrer Freunde unter der
Einbuße schwer zu leiden haben, da diese etwas von ihrem Privatbesitz
verlieren, ihren Mitbürgern dagegen nur etwas auf Rechnung des Staates
verlorengeht, überdies nur von daheim reichlich vorhandenem und in
gewissem Sinne überflüssigem Gut – sonst könnte man es ja nicht ins
Ausland ausführen –, so daß der einzelne den Verlust gar nicht so empfindet.
Deshalb ist es in den Augen der Utopier auch eine zu große Grausamkeit,
durch den Tod vieler einen Schaden zu rächen, dessen nachteilige Folgen
keiner von ihnen weder am Leben noch am Lebensbedarf deutlich zu spüren
bekommt. Wird jedoch einer ihrer Landsleute irgendwo auf ungerechte Weise
mißhandelt oder gar getötet, so lassen die Utopier den Tatbestand durch ihre
Gesandten ermitteln, ganz gleich, ob der Anschlag vom Staat oder von einer
Privatperson ausgegangen ist, und sind nur durch Auslieferung der
Schuldigen von einer sofortigen Kriegserklärung abzuhalten. Die
Ausgelieferten bestrafen sie für ihr Vergehen entweder mit dem Tode oder mit
Sklavenarbeit.
Ein blutiger Sieg bereitet den Utopiern nicht nur Verdruß, sondern sie
schämen sich sogar seiner, weil sie sich sagen, es sei eine Torheit, auch noch
so kostbare Waren zu teuer zu kaufen. Haben sie aber durch Geschick und
List den Sieg errungen und den Feind bezwungen, so prahlen sie laut damit,
feiern aus diesem Anlaß von Staats wegen einen Triumph und errichten ein
Siegesdenkmal, als hätten sie eine Heldentat vollbracht. Ihrer Mannhaftigkeit
und Tapferkeit rühmen sie sich nämlich immer erst dann, wenn sie so gesiegt
haben, wie es kein Lebewesen außer dem Menschen vermocht hätte, das heißt
mit den Kräften des Geistes. Denn mit den Kräften des Körpers, so sagen sie,
führen Bären, Löwen, Eber, Wölfe, Hunde und die übrigen wilden Tiere den
Kampf; die meisten von ihnen sind uns zwar an Kraft und Wildheit überlegen,
aber alle zusammen übertreffen wir an Geist und Vernunft.
Nur das eine haben die Utopier bei einem Kriege im Auge: das zu
erreichen, was sie schon früher hätten erreichen müssen, um sich den Krieg
zu ersparen; oder wenn das sachlich unmöglich ist, so nehmen sie an denen,
die sie für schuldig halten, eine so grimmige Rache, daß der Schrecken Leute,
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Utopia
- Title
- Utopia
- Author
- Thomas Morus
- Date
- 1516
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 106
- Keywords
- Utopie, Staat, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik