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daß sie sich durch die Erhöhung des täglichen Soldes um nur einen Heller zu
einem Wechsel der Partei verleiten lassen. So hat sich in ihren Herzen rasch
die Habgier eingenistet, von der sie jedoch keinen Vorteil haben; was sie
nämlich mit ihrem Blute gewinnen, verbrauchen sie alsbald wieder mit einer
Verschwendung, die gleichwohl armselig ist.
Dieses Volk kämpft für die Utopier gegen alle Welt, weil niemand
anderswo seine Dienstleistung so gut bezahlt wie diese. Wie sich nämlich die
Utopier nach guten Menschen umsehen, um sie in ihrem Dienst nützlich zu
verwenden, so werben sie auch diese Schurken an, um sie zu mißbrauchen.
Nötigenfalls machen sie ihnen lockende Versprechungen und setzen sie an
den gefährlichsten Punkten ein. Meist kommt dann ein großer Teil von ihnen
niemals wieder zurück und kann die versprochenen Belohnungen gar nicht
anfordern. Den Überlebenden aber zahlen die Utopier gewissenhaft aus, was
sie versprochen haben, um sie zu ähnlichen Wagnissen anzuspornen. Sie
fragen nämlich nicht danach, wie viele von ihnen durch ihre Schuld ums
Leben kommen, weil sie sich, wie sie meinen, das größte Verdienst um die
Menschheit erwerben würden, wenn sie den Erdkreis von jenem Abschaum
eines so greulichen und ruchlosen Volkes gründlich säubern könnten.
Nächst den Zapoleten verwenden die Utopier auch die Streitkräfte
desjenigen Volkes, für das sie zu den Waffen greifen, und die Hilfsscharen
ihrer anderen Freunde; an letzter Stelle erst ziehen sie ihre Mitbürger heran.
Aus deren Mitte nehmen sie einen Mann von erprobter Tapferkeit und stellen
ihn an die Spitze des gesamten Heeres. Ihm ordnen sie zwei Mann unter in
der Art, daß beide nur als Privatleute gelten, solange der Oberbefehlshaber
dienstfähig ist; wird er jedoch gefangengenommen oder fällt er, so tritt der
eine von jenen beiden gleichsam sein Erbe an, und ihn ersetzt gegebenenfalls
der andere, damit nicht in den bunten Wechselfällen der Kriege infolge einer
Gefährdung des Führers das ganze Heer in Unordnung gerät. In jeder Stadt
hebt man Freiwillige aus; man preßt nämlich niemanden wider seinen Willen
zum Kriegsdienst außerhalb der Grenzen seiner Heimat, weil man der
Überzeugung ist, daß einer, der von Natur etwas furchtsam ist, nicht nur
selbst sich nicht tapfer zeigen, sondern auch seine Kameraden mit seiner
Angst anstecken wird. Bricht aber der Feind ins Land ein, so steckt man die
Feiglinge dieser Art im Falle körperlicher Tauglichkeit auf die Schiffe unter
bessere Soldaten oder verteilt sie auf die einzelnen Festungen, von wo sie
nicht ausreißen können. Sie müssen sich vor ihren Kameraden schämen,
haben den Feind unmittelbar vor sich und sehen keine Möglichkeit zur Flucht:
so vergessen sie ihre Furcht und werden oft durch höchste Not zu mutigen
Männern. So wenig aber einerseits ein Utopier wider seinen Willen zu einem
auswärtigen Kriege fortgeschleppt wird, so wenig hindert man anderseits die
Frauen, mit ihren Männern ins Feld zu ziehen; ja, man fordert sie dazu noch
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book Utopia"
Utopia
- Title
- Utopia
- Author
- Thomas Morus
- Date
- 1516
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 106
- Keywords
- Utopie, Staat, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik