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25Starke
Bilder – Grundriss einer Studie
hen, sondern muss auch vor dem Hintergrund jener sozialen Revolution22 gesehen
werden, die Österreich zwischen 1918 und 1920 erfasste und veränderte. Entschei-
dende Neuentwicklungen auf dem Feld der Kriegsopferversorgung sind nach 1923
nicht mehr zu verzeichnen. Nur knapp werden daher die Jahre bis 1934 beschrieben,
um abschließend – hier liegt der Fokus nun auf der Zerschlagung der Kriegsopferver-
eine
– die Phase des österreichischen Ständestaates wieder etwas genauer in den Blick
zu nehmen.
In geografischer Hinsicht erstreckt sich die Untersuchung auf das Gebiet des heu-
tigen Österreich, wobei – ohne eine explizit vergleichende Darstellung anzustreben –
vorliegende Veröffentlichungen zu Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den
USA für eine Einordnung der österreichischen Verhältnisse herangezogen werden.
Neben den Siegermächten ist in diesem Zusammenhang vor allem Deutschland als
zweite aus diesem Krieg als Verliererin hervorgegangene Nation von Interesse.
Eine weitere Begrenzung dieser Studie besteht darin, dass bestimmte – gemeinhin
mit Kriegsopferfürsorge assoziierte
– Themenkomplexe hier nur gestreift werden. Dies
ist dem speziellen Interesse der vorliegenden Arbeit geschuldet. Da vor allem staatli-
ches Handeln, die Entstehung von Sozialpolitik, die Interaktion zwischen Staat und
Gesellschaft und die Herausbildung des modernen Staatsbürgers beleuchtet werden,
rücken bestimmte Aspekte des Themas in den Hintergrund. Nicht im Zentrum steht
etwa die Geschichte der Militärmedizin, also das große Thema der konkreten medi-
zinischen Behandlung von Verwundeten im Ersten Weltkrieg. Auch die Geschichte
einzelner klassischer Kriegserkrankungen, wie der Neurosen oder der Erblindung, so-
wie das weite Feld der Metaphorik oder der Kriegserinnerung sind nur am Rande
Themen. Zum zerstörten männlichen Körper als Symbol des zerstörten Staates, zur
Prothese als Sinnbild der Wiederherstellbarkeit des Menschen, zur Frage, wofür der
Kriegsbeschädigte steht, wie er „gelesen“ werden kann,23 für welche Zwecke er bzw. die
22 Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhun-
dert (= Österreichische Geschichte 1890–1990), Wien 1994.
23 Siehe vor allem Sabine Kienitz, Der verwundete Körper als Emblem der Niederlage ? Zur Symbolik der
Figur des Kriegsinvaliden in der Weimarer Republik, in : Horst Carl/Hans-Henning Kortüm/Dieter
Langewiesche/Friedrich Lenger (Hg.), Kriegsniederlagen. Erfahrungen und Erinnerungen, Berlin 2004,
S. 329–342 ; dies, „Fleischgewordenes Elend“. Kriegsinvalidität und Körperbilder als Teil einer Erfah-
rungsgeschichte des Ersten Weltkrieges, in : Nikolaus Buschmann/Horst Carl (Hg.), Die Erfahrung
des Krieges. Erfahrungsgeschichtliche Perspektiven von der Französischen Revolution bis zum Zweiten
Weltkrieg, Paderborn-München-Wien-Zürich 2001, S. 215–237 ; Parallelen zwischen Prothetik und
Nationsbildung sieht schon für den Amerikanischen Bürgerkrieg Lisa Herschbach, Prosthetic Recon-
structions : Making the Industry, Re-Making the Body, Modelling the Nation, in : History Workshop
Journal, 44 (1997) Autumn, S.
23–57 ; außerdem Joanna Bourke, Dismembering the Male : Men’s Bodies,
Britain and the Great War, London 1996.
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Wundes des Staates
- Subtitle
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Authors
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Nach 1918