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Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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45Kriegsinvalide  – Kriegsbeschädigte  – Kriegsopfer : Benennungen und Definitionen bliebene, also für bestimmte Überlebende des Krieges, durchsetzte. Diese doppelte Bedeutung war letztlich imstande, dem Opferstatus einen Rest von Sinn zu verleihen  – selbst wenn das, wofür das Opfer gebracht wurde, verschwunden war, wenn also das Vaterland, dem man seine Gesundheit geopfert hatte, in der ursprünglichen Form gar nicht mehr existierte. Aber gerade weil dieser Begriff beides, das passive Opfer-Sein und das aktive Opfer-Bringen, anklingen lässt, weil er von Anfang an höchst aufgela- den und mehrdeutig war, wurde er mit zunehmendem Abstand vom Krieg zum höchst willkommenen Terminus. Nach dem Krieg konnte sich jeder in diesen Begriff mit eingeschlossen fühlen, denn jeder war auf die eine oder andere Weise Opfer des Krieges geworden. Jene, die ver- stümmelt oder krank aus dem Krieg zurück kehrten und mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung leben mussten, waren als Kriegsopfer daher viel eher Teil der  – die Normalität wieder suchenden  – Friedensgesellschaft, als sie es als Kriegsbeschädigte sein konnten  – mit einer Bezeichnung, die noch dazu so deutlich auf die körperliche Versehrtheit, also die Anomalie verwies. Der neue Terminus Kriegsopfer war also vielseitig und flexibel. Einmal meinte er nur die Toten, ein anderes Mal nur die Überlebenden eines Krieges, einmal um- fasste er nur die körperlich Beschädigten des Krieges, ein anderes Mal schloss er ganz undifferenziert alle mit ein, die durch einen Krieg zu Schaden gekommen sind. Als Bezeichnung für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene gewann er letztlich ge- genüber den differenzierenden Begriffen die Oberhand. An der beachtlichen Breite und integrativen Kraft des Opferbegriffes und seiner Eignung, äußerst Heterogenes zusammenzubringen, dürfte auch gelegen haben, dass er genau 30 Jahre nach Veröf- fentlichung des Invalidenentschädigungsgesetzes auch für das österreichische Kriegs- opferversorgungsgesetz (KOVG) von 1949113 namensgebend wurde. Nun, da sich ein ganzes Land der These verschrieb, Opfer (der NS-Aggression) gewesen zu sein, war es nur folgerichtig, dass von Anfang an große Teile der Bevölkerung114 in diesen Opfer- begriff miteinbezogen wurden. Nicht nur in der Gesetzgebung, auch in der einschlägigen Forschung sollte sich der Begriff Kriegsopfer durchsetzen. In der neueren deutschsprachigen Forschung wird  – wie Karin Hausen nachweist  – sprachlich zwischen den beiden Gruppen  – den Kriegs- beschädigten und den Kriegshinterbliebenen  – nicht mehr unterschieden.115 113 BGBl 1949/197 ; der Begriff „Kriegsopfer“ wurde auch schon in jenem Gesetz verwendet, dass die Entschädigung der Kriegsopfer vorläufig regelte ; StGBl 1945/36. 114 Holocaustopfer und viele andere Gruppen von Opfern des NS-Regimes waren hier nicht mitgemeint. 115 Hausen, Die Sorge der Nation für ihre „Kriegsopfer“, S.  725f. Hausen nennt Robert W. Whalen und Michael Geyer.
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Die Wundes des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die Wundes des Staates
Subtitle
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Authors
Verena Pawlowsky
Harald Wendelin
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2015
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79598-8
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
586
Categories
Geschichte Nach 1918
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