Seite - 9 - in Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
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Wien, die ich aus dem Gedächtnis nach rund 70 Jahren frei – und nicht von
Tagebuchaufzeichnungen unterstützt – aufgeschrieben habe. Sie waren aber
so einprägsam, dass ich meine, sie weitgehend authentisch wiedergeben zu
können, wohl wissend, dass Gefühle und Empfindungen nur fragmentarisch
übertragen werden können.
Diese Ich-Form soll auch den Leser näher an das von mir Erlebte heranführen.
Bewusst habe ich auf umfangreiche Recherchen via Google oder ähnliche
Suchmaschinen verzichtet. So nehme ich in Kauf, dass sich vielleicht einige
Fehler und Ungenauigkeiten in dieses Buch eingeschlichen haben. Ich darf um
Nachsicht ersuchen, doch meine ich, dass eine Glättung durch Filter- und Kon-
trollmechanismen viel von der Unmittelbarkeit genommen hätten.
In diesem Buch sind keine Fotos zu finden. Erstens besaß ich keinen Fotoap-
parat und zweitens war es nicht ungefährlich, Fotos zu machen – man konnte
an jedem Ort und zu jeder Zeit ohne Angabe von Gründen verhaftet werden –,
und weiter war das Erlebte so erschütternd, dass man gar nicht daran dachte,
es in Bildern festhalten zu wollen.
Dieses Buch erhebt somit nicht den Anspruch, ein historisches Zeitdokument
zu sein, sondern vermittelt nur persönlich erlebte Episoden, die nach 70 Jah-
ren aus dem Gedächtnis niedergeschrieben wurden. Neben all den negativen
Eindrücken wurde augenzwinkernd auf eine leichte Ironie und den (vor allem
politischen) Witz, der trotzdem und gerade deshalb auch in dieser Zeit die Run-
de machte, nicht verzichtet. Er war auch Bestandteil unseres Lebens und ge-
hörte zum Alltag, er war ein psychisches Ventil in bedrückenden Stunden und
Tagen. Die Lage war ernst, aber nicht hoffnungslos, die Grundstimmung trotz
allem noch schwach positiv – denn bald wurde vielen Bürgern klar, dass auch
das „Tausendjährige Reich“ ein Ablaufdatum haben würde.
Wir Kinder wurden in diese Zeit hineingeboren und kannten nichts anderes.
Wir sind in dieser Zeit aufgewachsen und was sich rundum abspielte, war der
„normale“ Alltag. Ob es uns schlecht oder gut ging, war eine rein subjektive
Frage, denn man orientierte sich am Nachbarn, dem es ja auch nicht besser
(oder schlechter) ging. Dies alles wurde von einer perfekt ausgeklügelten und
inszenierten Propaganda überstülpt, die uns den Weitblick verstellte, eine in-
ternationale Information unterband und bis in das Schlafzimmer reichte.
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
- Titel
- Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
- Untertitel
- Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
- Autor
- Othmar Nestroy
- Herausgeber
- Technischen Universität Graz
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-741-0
- Abmessungen
- 20.0 x 25.0 cm
- Seiten
- 120
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einstimmung 8
- Einleitung 11
- Politische Propaganda 13
- Spiel und Sport 19
- Der Krieg wird spürbar 23
- Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
- Privater und öffentlicher Verkehr 32
- Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
- Der totale Krieg beginnt 47
- Die Front rückt näher 57
- Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
- Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
- Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
- Nachklang 93
- Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
- Ausklang 115