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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
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14 Sie umfasste alle Lebensbereiche und begann für mich schon in der ersten Klasse der Volksschule. Ich besuchte ab dem September 1940 die Karlsschule am Karlsplatz in Wien-Wieden. Das Klassenzimmer war der erste Raum links beim Eingang, wie ich mich noch genau erinnere, und unser erster Lehrer ein „baumlanger“ Herr namens Jessen, der uns das Einmaleins wie auch das Schrei- ben in wenigen Monaten beibrachte. Wir waren rund 40 Kinder in der Klasse, davon zwei Perser, ein Brüderpaar, das, in der letzten Reihe sitzend, voll am Unterricht teilnahm. Wir saßen auf braunen und harten Holzbänken mit Klapp- pulten, die an der Oberkante eine Vertiefung für die Bleistifte und Schreibfe- der sowie an der rechten oberen Ecke für das Tintenfass aufwiesen. In den Holzpulten fanden sich zahlreiche Gravuren von Schülern, die sie aus Lange- weile oder innerer Not in mühevoller Kleinarbeit mit einem Messer oder einem anderem spitzen Gegenstand angefertigt und sich auf diese Weise „verewigt“ hatten. Der Fußboden war ein geölter Holzboden. Rutschte man aus und fiel man nieder, so war ein garstiger Ölfleck auf den Strümpfen oder der Hose die Folge. Wir schrieben schon mit einer Redisfeder und mit Tinte – Klekse auf den Heften und auch auf den Kleidern standen leider auf der Tagesordnung. Die beiden Hände mussten flach auf dem Pult liegen. Bestraft wurde man durch Schläge mit dem Rohrstaberl auf die äußeren oder inneren Handflächen, oder auch durch Stehen im Winkerl, oftmals musste auch die gesamte Klasse we- gen einer begangenen „Untat“ in der Schule nachsitzen und eine Schularbeit schreiben. In der ersten Klasse wurde uns das Schreiben in Kurrent beige- bracht, ab der zweiten dann in Latein. Die politische Erziehung begann schon in der ersten Klasse Volksschule, ohne dass wir es gleich bemerkten: Der Hitlergruß zu Beginn und am Ende des Un- terrichts, die sportliche Erprobung („Zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und schnell wie Windhunde“, so die Hitlerworte) und die Hervorhebung der spezi- ellen Qualitäten der Nordischen Rasse im Naturgeschichteunterricht. Weiter standen nur Lieder und Gedichte, die sich auf heldenhafte Vorbilder des Drit- ten Reiches bezogen, auf dem Lehrplan, um uns auf diese Weise mit den neu- en Helden wie auch Idiomen des Altreichs vertraut zu machen. Zu Beginn des Unterrichts wurden wir alle aufgefordert, über gute Nachrichten von der Front zu berichten und wurden danach auch benotet. Auch Eindeutschungen von Fremd- und Lehnwörtern standen auf dem Lehrplan: Gesichtserker anstatt Nase, Viertopfzerknalltreibling anstatt Vierzylindermotor, Weisel anstatt Wei- sung und Bürgersteig anstatt Trottoir – diese sind mir noch im Gedächtnis. Auf einer schwarzen Nebentafel wurde vom Klassenvorstand jede Woche ein neuer propagandistischer Spruch mit einer Zeichnung mit bunter Kreide an- gefertigt, den wir abschreiben und uns auf diese Weise einprägten mussten. Politische Propaganda
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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Titel
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Untertitel
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Autor
Othmar Nestroy
Herausgeber
Technischen Universität Graz
Verlag
Verlag der Technischen Universität Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-741-0
Abmessungen
20.0 x 25.0 cm
Seiten
120
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einstimmung 8
  2. Einleitung 11
  3. Politische Propaganda 13
  4. Spiel und Sport 19
  5. Der Krieg wird spürbar 23
  6. Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
  7. Privater und öffentlicher Verkehr 32
  8. Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
  9. Der totale Krieg beginnt 47
  10. Die Front rückt näher 57
  11. Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
  12. Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
  13. Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
  14. Nachklang 93
  15. Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
  16. Ausklang 115
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