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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
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15 In den oberen Klassen der Volksschule musste dann jeder Schüler ein Heft über die persönlichen und familiären Verhältnisse, das auch ständig kontrol- liert wurde, führen. In diesem waren neben Angaben über Namen und Her- kunft der Eltern und Großeltern deren Beruf wie auch Krankheiten („Gebre- chen“) enthalten. Auch die Angabe, mit welchem Spitznamen mein Vater mei- ne Mutter nannte, durfte nicht fehlen. Dies alles stand natürlich nicht unter Datenschutz und der Klassenvorstand wie der Direktor konnten alles lesen. Vor der Hochzeit meiner Tante, der Schwester meines Vaters, mussten diese und der zukünftige Gatte einen Ariernachweis erbringen, auf dem der Grad der Abstammung, wie „rein arischer Abstammung“ gegenüber „Voll-, Halb- oder Vierteljude“, festgehalten war. Ohne dieses Dokument wäre sonst eine stan- desamtliche Trauung nicht genehmigt worden. Der politische Blick in das Privatleben ging noch weiter. Man wollte über Auf- sätze das Freizeitverhalten der Familie erfahren, wen man besuchte oder wo- hin und in wessen Begleitung der Sonntagsausflug führte und was am Wo- chenende in den eigenen vier Wänden gemacht wurde. So erzählte mir war- nend meine Mutter von einem Aufsatz eines Mitschülers über das Thema „Als Fliegeralarm war“. Er beschrieb, dass er leicht erkrankt war und deshalb mit seinem Vater in der elterlichen Wohnung zurückblieb, während seine Mutter mit seiner Schwester den Luftschutzkeller aufsuchte. Während des Alarms, so schrieb er weiter, kroch sein Vater für einige Zeit unter das Bett und verhielt sich dort ruhig. Einige Tage später durchsuchte die Polizei diese Wohnung, fand einen Geheimsender und verhaftete den Vater. Über das weitere Schick- sal dieses Mannes erfuhr ich nichts. Wir besaßen nur einen Zwei-Röhren-Apparat, ich glaube einen „Horniphon“, mit dem wir, so wurde mir versichert, keinen ausländischen Geheimsender emp- fangen konnten. Ein Vorteil, denn auf diesem Delikt stand die Todesstrafe. Noch heute werde ich öfters auf unser Wissen über Konzentrationslager zu dieser Zeit angesprochen. Ich erinnere mich noch, als ich nach einer Radiomel- dung meine Mutter fragte, was ein Zuchthaus sei, in das jemand kam, wenn er verurteilt wurde. „Zuchthaus ist ein Gefängnis“, war die Antwort meine Mutter. So bin ich persönlich überzeugt, dass die große Masse der Bevölkerung wie meine Familie nichts von den KZ und den Vorgängen in diesen wusste oder nur eine vage Vorstellung hatte, eben nur über das, was von Nachbarn erzählt wurde oder gerüchteweise durchsickerte. Man darf die gewaltige offizielle Propaganda nicht vergessen, die einfach alles niederwalzte, was sich abseits
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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Titel
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Untertitel
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Autor
Othmar Nestroy
Herausgeber
Technischen Universität Graz
Verlag
Verlag der Technischen Universität Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-741-0
Abmessungen
20.0 x 25.0 cm
Seiten
120
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einstimmung 8
  2. Einleitung 11
  3. Politische Propaganda 13
  4. Spiel und Sport 19
  5. Der Krieg wird spürbar 23
  6. Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
  7. Privater und öffentlicher Verkehr 32
  8. Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
  9. Der totale Krieg beginnt 47
  10. Die Front rückt näher 57
  11. Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
  12. Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
  13. Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
  14. Nachklang 93
  15. Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
  16. Ausklang 115
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