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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
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63 halt, dobryy-den – Guten Tag, do svidaniya – auf Wiedersehen, gostpodin – Genosse, rabonik – Arbeiter, towarisch – Genosse, spasibo – danke, voda – Kumpel, nitschewo – weiß nicht, khorosho – in Ordnung.“ Und es rissen alle Stricke: Wir hatten keine Scheiben in den Fenstern, keine Kohle zum Heizen, kaum etwas zu essen, kein Gas zum Kochen, nur beim Kel- lerwandbrunnen und in den unteren Stockwerken fallweise Trinkwasser, sonst mussten wir uns mit Kannen und Kübeln beim nächsten Hydranten anstel- len. Ohne Strom hatten wir in der Nacht kein Licht in der Wohnung und auch kein Öl für die Grubenlampe meines Vaters. Wir saßen um eine aus Paraffin, mithilfe der Hülsen, die man zur Anfertigung von Schaumrollen verwendet, selbstgemachte, rußende Kerze, bei der immer der Docht nachgeschnitten werden musste – doch sie gab etwas Licht und Wärme. Aber die Familie war beisammen, eine Hausgemeinschaft war eine gewisse, gegenseitig sorgende Klammer, wir waren – bis auf eine leichte Ruhr – einigermaßen gesund und es gab keine zermürbenden Bombenangriffe mehr. Auch konnten wir in der Nacht einigermaßen schlafen. So machte sich langsam ein gedämpfter Optimismus breit und ein Aufbauwille, denn wir hatten das Ärgste schon überstanden. Es ist nicht möglich, eine scharfe Grenze zwischen der Einnahme Wiens durch Truppen der Roten Armee, dem Durchgang der Front und der Nachkriegszeit zu ziehen, vor allem auch deshalb, weil erst am 8. Mai der Waffenstillstand unter- zeichnet wurde und vorher über längere Zeit die Donau die Frontlinie zwischen den Soldaten der Roten Armee im Süden und den deutschen Truppen jenseits der Donau, die noch erbitterten Widerstand leisteten, bildete. Wir hörten Tag und Nacht das Artilleriefeuer, nur die zermürbenden amerikanischen Boden- und Tieffliegerangriffe hatten ihr Ende gefunden: Alle waren erleichtert. Mein Bruder bastelte ein Detektorradio mit einem Kristall zusammen und konnte auf diese Weise ohne Strom über Kopfhörer die Nachrichten- und Mu- siksendungen des Rundfunks hören. Bald erschienen die ersten Zeitungen und Illustrierten in Farbe – eine kleine Sensation. Eines Nachts eilte mein Bruder plötzlich zum Fenster, blickte auf die Schleif- mühlgasse hinunter und brüllte nur: „Raus!“ Ein heller Feuerschein erhellte die Gasse: Im Erdgeschoß des Nebenhauses brannte lichterloh ein Geschäft. Wir dachten alle: „Jetzt, nach dem Krieg, hat es uns erwischt und unser Haus brennt ab.“ Sofort warfen wir uns in die Kleider und stolperten eilig das fins- tere Stiegenhaus hinunter, nahmen Feuerpatschen und Eimer mit Wasser mit,
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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Titel
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Untertitel
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Autor
Othmar Nestroy
Herausgeber
Technischen Universität Graz
Verlag
Verlag der Technischen Universität Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-741-0
Abmessungen
20.0 x 25.0 cm
Seiten
120
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einstimmung 8
  2. Einleitung 11
  3. Politische Propaganda 13
  4. Spiel und Sport 19
  5. Der Krieg wird spürbar 23
  6. Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
  7. Privater und öffentlicher Verkehr 32
  8. Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
  9. Der totale Krieg beginnt 47
  10. Die Front rückt näher 57
  11. Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
  12. Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
  13. Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
  14. Nachklang 93
  15. Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
  16. Ausklang 115
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