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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
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71 Aber auch andere Erlebnisse aus dieser ersten Besatzungszeit haben sich mir eingeprägt. Am helllichten Tag hörten wir einmal im Nebenhaus lautes Geschrei, aber nicht von Einheimischen, sondern von einem Besatzungssoldaten. Da zerrte ein rus- sischer Offizier einen Soldaten brutal aus dem Haus auf die Gasse, nahm sei- nen Kopf – er war kahlköpfig – in beide Hände und schlug diesen so fest auf das Granitpflaster, dass das Blut nur so spritzte. Betroffen sahen wir zu, nicht wissend, ob der Soldat bei einer Vergewaltigung oder einer Plünderung über- rascht worden war. Einige Zeit blieb er regungslos liegen, dann rappelte er sich auf und ging mit blutigem Kopf weg. Einige Zeit nach dem Umbruch musste mein Vater eine Dienstreise von Wien nach Kapfenberg zur Firma Böhler machen. Am Morgen zog er den grauen Luftschutz-Overall an, nahm einen langen Lederriemen mit und pilgerte zu Fuß zum alten Südbahnhof. Die Entfernung betrug eine halbe Stunde. Am Bahnhof versuchte er im Waggon einen Platz zu ergattern, doch er war rund eine Stunde vor der planmäßigen Abfahrt des Zuges reichlich spät dran. So waren nur mehr „Dachplätze“ vorhanden. Davon konnte er sich über die Wag- gonleiter einen okkupieren und sicherte sich mit dem Lederriemen an einem der Belüftungskamine auf dem bombierten Dach des Zweiachsers, damit er auf der holprigen Fahrt und speziell in den Kurven nicht herunterfiel – aber so rasch ging es damals auch nicht bei der Bahn. Heikel war die Fahrt durch die Tunnel, nicht durch den kurzen bei Gumpoldskirchen, sondern durch die zahl- reichen auf der Semmeringstrecke, da man hier nicht nur wegen des engen Querschnitts auf den Kopf aufpassen musste, sondern auch den Rauchgasen aus den mit voller Kraft fahrenden Dampflokomotiven längere Zeit intensiv ausgesetzt war. Man war aber durch den Krieg „geeicht“ und konnte auf ge- genseitige Hilfe bauen. Nicht gerade sauber kam mein Vater dann in Kapfen- berg an – an eine Dusche war nicht zu denken–, aber anderen ging es auch nicht besser. Da wir von den Jahren in Kapfenberg noch gute Bekannte hatten, bekam mein Vater als besonderes Geschenk einen kleinen Rucksack voll mit Erdäpfeln und brachte diesen auch gut nach Wien. Unserer Freude war riesen- groß und wir hatten ein Festessen! Mein Onkel war – wie es damals hieß – praktischer Arzt im 1. Bezirk und besaß schon im Krieg einen Pkw, einen Steyr 120 (eine „Schildkröte“), für uns alle eine kleine Sensation. Dieser Wagen wurde im Zuge der Kriegsereignisse in Wien gestohlen und erst Jahre später konnte sich mein Onkel ein neues Auto
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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Titel
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Untertitel
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Autor
Othmar Nestroy
Herausgeber
Technischen Universität Graz
Verlag
Verlag der Technischen Universität Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-741-0
Abmessungen
20.0 x 25.0 cm
Seiten
120
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einstimmung 8
  2. Einleitung 11
  3. Politische Propaganda 13
  4. Spiel und Sport 19
  5. Der Krieg wird spürbar 23
  6. Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
  7. Privater und öffentlicher Verkehr 32
  8. Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
  9. Der totale Krieg beginnt 47
  10. Die Front rückt näher 57
  11. Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
  12. Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
  13. Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
  14. Nachklang 93
  15. Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
  16. Ausklang 115
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