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konnte dann Herr F.H. mit Mühe die Maschine hochbringen und ins Hinterland
fliegen. Diese Einsätze – ich habe nie erfahren, wie viele – waren für Herrn F.H.
so zermürbend, dass er nur auf Packpapierfetzen seiner Frau kurze und er-
schütternde Nachrichten zukommen lassen konnte. Oft waren es nur wenige
Worte einer kaum leserlichen Liebesbezeugung, aber auch die erschütternden
Worte: „Wenn es irgendwo die Hölle gibt, dann ist sie hier.“
Zermürbt und ausgelaugt ist Herr F.H. nach Krieg und Kriegsgefangenschaft
heimgekehrt. Da ich seine Spur nach der Volksschulzeit verloren habe, kann
ich nicht mehr sagen, wie er die Rückkehr in das bürgerliche Leben erlebt hat.
Herr H.W. war vorwiegend an der Afrika-Front unter Generalfeldmarschall Erwin
Rommel im Einsatz und wir haben oft abendelang über diese Zeit diskutiert.
Da bekanntermaßen die Temperaturunterschiede in den Wüstenregionen sehr
groß sind, hat auch Herr H.W. am meisten unter der nächtlichen Kälte, nicht so
sehr an der Hitze tagsüber, gelitten.
Herr H.W. war als älterer Soldat schon relativ kriegserfahren und wusste da-
her, wie man sich am besten gegen feindliche Scharmützel wehrt. So kam er
auch fast unverletzt, trotz eines Einsatzes beim Kampf um Monte Cassino,
über den Krieg hinweg. Dennoch waren die Einsätze in Nordafrika sehr riskant.
Am meisten waren die von den Engländern gedungenen Söldner gefürchtet.
Diese hatten nur eine Ausbildung und einen Auftrag: lautloses Morden. Rück-
lings erfassten sie die in den Schützengräben kauernden oder schlafenden
Soldaten und schnitten ihnen lautlos mit einem scharfen Messer die Kehle
durch. Vor diesen Aktionen hatten alle Angst und schon die Annäherung die-
ser Söldner bedeutete höchste Gefahr.
Doch es soll auch von zwei etwas heiteren Episoden berichtet werden.
So war ein gewisses Etablissement, ich glaube, nur für Offiziere, in Form eines
in den Wüstensand vergrabenen Autobusses installiert. Das gesamte Fahr-
zeug war bis auf einen Eingang und Ausgang im Sand vergraben – also „kli-
matisiert“ – und nur über diese zwei Luken lief der laufende Betrieb ab. Eines
Nachts gab es Alarm und auch diese Einrichtung musste raschest geräumt
werden. Die Männer und das Personal verließen schleunigst die Räumlichkeit
und versuchten, auf irgendeine Weise rasch hinter die Front zu gelangen, was
auch allen mehr oder minder gut gelang. Dabei habe sich – Herr H.W. ergötzte
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
- Titel
- Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
- Untertitel
- Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
- Autor
- Othmar Nestroy
- Herausgeber
- Technischen Universität Graz
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-741-0
- Abmessungen
- 20.0 x 25.0 cm
- Seiten
- 120
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einstimmung 8
- Einleitung 11
- Politische Propaganda 13
- Spiel und Sport 19
- Der Krieg wird spürbar 23
- Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
- Privater und öffentlicher Verkehr 32
- Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
- Der totale Krieg beginnt 47
- Die Front rückt näher 57
- Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
- Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
- Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
- Nachklang 93
- Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
- Ausklang 115