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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Seite - 105 -
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105 Herr H.S. war Panzerkommandant und in Russland eingesetzt. Er war ein mus- kulöser, sehr kräftiger Mann, der schon in seiner Schulzeit als Kunstturner her- vortrat. So trat er auch bei Parteiveranstaltungen als bejubelter Turner auf und zweifelsohne war dieser Umstand seiner militärischen Karriere förderlich. Er war auch nach dem Kriege nicht sehr gesprächig, doch eine Episode darf ich wiedergeben. Es war ein Einsatz in Russland. Die Abteilung lag vor einer kleinen russischen Stadt, einige hundert Kilometer westlich von Moskau. Die Soldaten der Roten Armee hatten die von den Deutschen besetzte Stadt zurückerobert und sie feierten ausgiebig diesen Sieg. Die Deutschen hörten nur das Geschrei der Bevölkerung. Ein deutscher Spähtrupp wurde vorgeschickt und berichte- te dann, dass auf dem Marktplatz Mädchen und junge Frauen nackt vor den besoffenen und grölenden Soldaten versteigert würden. Herr H.S. gab darauf den Befehl, zu einem vereinbarten Zeitpunkt zehn Panzergranaten mit Ziel- punkt Hauptplatz abzufeuern. Der Befehl wurde ordnungsgemäß ausgeführt – und dann herrschte Grabesstille. Herr H.S. hatte ein mulmiges Gefühl, denn für eine solche Handlung drohte ihm das Kriegsgericht – doch das Kriegsende kam, ihn rettend, diesem Gericht zuvor. Herr H.S. fand dann als Hauptbuchhalter in das bürgerliche Leben zurück. Herr P.M. war U-Boot-Kapitän und vor allem im Nordatlantik unterwegs. Ich weiß nicht, wie viele Einsätze er durchgeführt hatte, doch kam er vom Krieg nach Österreich zurück. Als ich ihn etwas näher kannte, wagte ich die Frage, auf welche Weise er den Krieg überleben konnte, da doch rund 97 % der U- Boote versenkt worden waren. Seine Antwort war klar: Vor dem letzten Ein- satz im Atlantik hatte er eine leichte Grippe gehabt und war deshalb im Hafen geblieben, sein U-Boot aber war vom Einsatz nicht mehr zurückgekommen. Doch für Herrn P.M. war der Krieg mit seinen Folgen damit noch nicht zu Ende. Infolge der hohen Feuchtigkeit und der extremen Temperaturen in einem U- Boot zog er sich eine Arthrose-Erkrankung an den Händen zu, die zu einer fort- schreitenden Deformierung führte. So musste er sich fast jährlich einer Ope- ration unterziehen, bei der immer wieder ein deformierter und schmerzender Knochenteil aus den Handbereichen entfernt wurde. Dies war mit ständigen, leichten Schmerzen und der Einnahme von Medikamenten verbunden. Trotz- dem hat Herr P.M. seinen Lebenswillen nie verloren, war immer gut gelaunt und glücklich, dem Inferno eines U-Boot-Krieges entkommen zu sein.
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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Titel
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Untertitel
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Autor
Othmar Nestroy
Herausgeber
Technischen Universität Graz
Verlag
Verlag der Technischen Universität Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-741-0
Abmessungen
20.0 x 25.0 cm
Seiten
120
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einstimmung 8
  2. Einleitung 11
  3. Politische Propaganda 13
  4. Spiel und Sport 19
  5. Der Krieg wird spürbar 23
  6. Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
  7. Privater und öffentlicher Verkehr 32
  8. Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
  9. Der totale Krieg beginnt 47
  10. Die Front rückt näher 57
  11. Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
  12. Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
  13. Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
  14. Nachklang 93
  15. Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
  16. Ausklang 115
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