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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Seite - 107 -
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107 Herr K.S. hat jedenfalls elf Absprünge ohne Verletzungen überlebt. Sein Ge- fühl vor und während des Absprungs beschrieb er mit deftigen Worten, die ich hier nicht wiedergeben möchte. Sein Training zum Abrollen auf dem Boden nach der Landung wie auch sein gute körperliche Verfassung waren bei Stür- zen beim Schifahren sehr hilfreich, da der Körper fast automatisch rollierte. Herr K.S. wurde mit dem Ritterkreuz dekoriert, kam nach Jahren aus der Gefangenschaft zurück und stand vor dem Nichts: kein abgeschlossenes Studium, kein erlernter Beruf. So ging er in die Lehre, machte die Meister- prüfung und baute dann selbst eine Firma im Raum Wien auf. Durch zähe, konsequente Arbeit, gute Beratung der Kunden und Hilfeleistungen bei zu- sätzlichen Fragen oder Problemen erlangte er einen guten Ruf als seriöser und hilfsbereiter Unternehmer. In der Pension konnte er auf ein gelungenes Aufbauwerk zurückblicken. Herr J.L. war, da er von einem französischen Vater und einer österreichischen Mutter stammte, zweisprachig aufgewachsen, was zu dieser Zeit eine gro- ße Ausnahme darstellte. Aus der Mittelschule gerissen, konnte er dank der Sprachkenntnisse eine außergewöhnliche Laufbahn einschlagen: Er wurde zu einem der Sekretäre von Marschall Philippe Pétain in Vichy. Dort arbeitete er im Vorzimmer des nicht unumstrittenen Generals, seine Hauptaufgabe bestand darin, die Unterlagen für Emigranten aus Deutschland vorzubereiten. Dies war eine äußerst verantwortungsvolle Arbeit, denn seine Empfehlung entschied oftmals über eine Ausreiseerlaubnis oder deren Verweigerung, über Leben in einem Lager oder Tod. Herr J.L. war sehr intelligent und deshalb in gehobener Position und genoss das Vertrauen des Generals und mancher Fall konnte erst nach langen Diskussionen entschieden werden. Als sich nach der Landung in der Normandie im Juni 1944 allmählich das po- litische Blatt wendete, wurden Vorbereitungen für einen Stellungswechsel getroffen. Doch dieser kam dann überraschend schnell in einer regnerischen Nacht, bei der dann Hals über Kopf der General und einige Vertraute, so auch Herr J.L., mit einem Lastwagen und etwas Proviant – zumeist in flüssiger Form und hochprozentig – und dem „Familiensilber“ eine abenteuerliche Fahrt in Richtung Schweiz und Ostmark antraten. Herr J.L. und ich sind oft zusammen gesessen und wollten die etwas bizarre Fahrtroute rekonstruieren – viele Ver- kehrswege waren unterbrochen oder führten durch unkontrollierbare Parti- sanengebiete –, was uns aber nicht gelang. Über Umwege gelangte Herr J.L. schließlich nach einer Woche wieder in bekannte Gefilde der Ostmark und fand den Weg zu seiner Wohnung in Wien.
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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Titel
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Untertitel
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Autor
Othmar Nestroy
Herausgeber
Technischen Universität Graz
Verlag
Verlag der Technischen Universität Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-741-0
Abmessungen
20.0 x 25.0 cm
Seiten
120
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einstimmung 8
  2. Einleitung 11
  3. Politische Propaganda 13
  4. Spiel und Sport 19
  5. Der Krieg wird spürbar 23
  6. Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
  7. Privater und öffentlicher Verkehr 32
  8. Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
  9. Der totale Krieg beginnt 47
  10. Die Front rückt näher 57
  11. Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
  12. Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
  13. Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
  14. Nachklang 93
  15. Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
  16. Ausklang 115
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