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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
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109 Buchhalter in einer Firma machte er sich selbstständig, eröffnete eine eigene Steuerberatungskanzlei und konnte am Lebensende auf ein erfülltes Berufs- leben zurückblicken. Herr H.W. war ausgebildeter Jurist und infolge seines Jahrgangs musste er so- wohl im Ersten wie auch im Zweiten Weltkrieg einrücken. Er hat rückblickend oft gesagt, dass er mehr als die Hälfte seine Dienstzeit im Felde und in Gefan- genschaft verbracht hat. Da er als Jurist bald als Kriegsgerichtsrat eingesetzt worden war, hat er nur sehr wenig über die Zeit des Zweiten Weltkriegs gesprochen: Es war für ihn noch Jahrzehnte nach dem Krieg zu belastend. Die wenigen Schilderungen beziehen sich deshalb auf seinen Einsatz zu Kriegsbeginn in Belgien, dann in Russland. Auf jede Form der Zersetzung der Wehrkraft stand die Todesstrafe. So wurde Zivilpersonen und Deserteure in den von den Deutschen besetzten Ländern wie Belgien und den Niederlanden, die sich des Tatbestandes der Zersetzung der Wehrkraft schuldig machten, nur ein kurzer Prozess gemacht und sofort die Exekution durchgeführt. Wurde während des Verfahrens dieser Tatbe- stand erkannt, musste jeder Richter, so auch Herr H.W., seine Paraphe unter das Urteil setzen. „Hätte ich nicht meine Krax’n unter das Urteil gesetzt“, so die Aussage von Herrn H.W., „wäre ich der Nächste gewesen.“ Zu dieser psychischen Belastung kam noch eine zweite dazu. Am Abend des Gerichtstages wurde im Rundfunk von den Exekutionen berich- tet, ergänzt mit Nennung der Namen jener Richter, die das Urteil unterzeich- net hatten. Auch der volle Name des Herrn H.W. wurde genannt. Dazu kam noch der Hinweis, man solle sich die Namen der Richter gut merken. Später wurde Herr H.W. als Kriegsgerichtsrat in den Bereich der Ostfront ab- kommandiert und musste in der gleichen Form Fälle von Zersetzung der Wehr- kraft beurteilen. So erzählte er mir von dem folgenden Fall. Im Zuge der Win- terhilfssammlung wurden für die Soldaten an der Front warme Kleidungsstü- cke von Privaten eingesammelt und an die Front geschickt. Von einem dieser Transporte holte ein Mann ein Paar Wollfäustlinge von einem Lastwagen her- unter. Dabei wurde er beobachtet, angezeigt und kam vor das Kriegsgericht, angeklagt wegen Zersetzung der Wehrkraft. Da diese von den Richtern als erwiesen erkannt wurde, erfolgte nach einem kurzen Prozess die Exekution des Angeklagten.
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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Titel
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Untertitel
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Autor
Othmar Nestroy
Herausgeber
Technischen Universität Graz
Verlag
Verlag der Technischen Universität Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-741-0
Abmessungen
20.0 x 25.0 cm
Seiten
120
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einstimmung 8
  2. Einleitung 11
  3. Politische Propaganda 13
  4. Spiel und Sport 19
  5. Der Krieg wird spürbar 23
  6. Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
  7. Privater und öffentlicher Verkehr 32
  8. Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
  9. Der totale Krieg beginnt 47
  10. Die Front rückt näher 57
  11. Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
  12. Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
  13. Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
  14. Nachklang 93
  15. Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
  16. Ausklang 115
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