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Liturgiesprache
Antichrist = katholischer Geistlicher, Messe = Abend-
mahl Christi, Altar = Gottes Tisch, Abendandacht =
nachmittägliches Gebet]). Die Terminologie (die alte
ebenso wie die neue) wurde zur Zeit der Reforma-
tion auch mit neuen Wortgattungen vermehrt. Neben
kirchlichen → Liederbüchern und neuen Gebetsfor-
meln, Predigten (Verkündigungstexten), die teilweise
bereits zuvor in der mündlichen katholischen Tradition
gepflegt wurden, entstanden neue gedruckte, in religiö-
sen Fragen belehrende Schriften : Katechismen, Über-
setzungen des Neuen Testaments (der Evangelien und
der Apostelbriefe), Übersetzungen von Psalmen (Davi-
dov Psalter [Psalter Davids], 1566) und schließlich die
gesamte Bibel (1584) sowie polemische Einleitungen
in Katechismen und sogar die Übersetzung der Kir-
chenordnung (Cerkovna Ordninga, 1563) als Beispiel
eines rechtlichen bzw. amtlichen Textes. All das ist
nicht nur bedeutend im Hinblick auf die Bereicherung
des terminologischen Wortschatzes, was an sich schon
außerordentlich ist. Die Sprache des slowenischen
protestantischen Schrifttums weist zudem bereits eine
Differenzierung nach unterschiedlichen Gattungen auf,
hat eine entwickelte Syntax und variiert Synonyme je
nach Syntaxmodellen.
Der terminologische Wortschatz entwickelte sich
auf innovative Weise auch im Zuge des katholischen
Barock im 17. und im 18. Jh. Er schuf statt der protes-
tantischen terminologischen Lösungen neue Begriffe
in allen Wortarten. Bei den Predigten (und bei der
mystischen Literatur) entwickelte sich insbesondere
eine stilistisch vielfältige Syntax. Die früheren protes-
tantischen Übersetzungen blieben teilweise noch in
der Syntax der deutschen Ausgangstexte verhaftet, sie
weisen noch keine genuinen Schöpfungen in Bezug auf
die Syntax auf. Bei den religiösen Texten des Barock
decken sich die Syntax-Regeln mit den stilistischen
Eigenheiten der lateinischen Ausgangstexte. Die Spra-
che aller christlichen Textarten (Andachtsliteratur, Ri-
tus- und Gottesdiensttexte) sind gekennzeichnet von
angemessenen terminologischen Schöpfungen, jedoch
vor allem von Lehnübersetzungen und gewissen cal-
quierten Syntaxmodellen (Passivformen, Präpositional-
und Kasuskonstruktionen, unbestimmte Modalver-
bindungen, unangemessene Verbalaspekte, Ausdruck
der Bestimmtheit durch Artikel, Ungenauigkeiten der
Adjektiva usw.). Diese gehen jedoch im Laufe des 18.
Jh.s zurück. Eine solche innovative, dynamische Ent-
wicklung der religiösen und ritualisierten Sprache ist
kennzeichnend für die Zeit bis zum Ende des 18. Jh.s. Die religiösen Texte weisen eine Differenzierung nach
sprachlichen Gattungen auf. Die vielfältigen Gebets-
modelle des Barock (Marien- und Heiligengebete, Ge-
sang, Beichtgebete, Rosenkranz, Litaneien, Predigten,
Hagiografien) werden bereits in einem literarischen Stil
verfasst. Bei der Syntax behalten und schöpfen diese
Texte jedoch alte stilistische Konstanten (Rhythmisie-
rung der Texte auf der Grundlage der ausgewiesenen
Wortfolge bei Satzmodellen, die Setzung des Adjektivs
nach dem Hauptwort, die Ausnutzung von zwei- und
sogar dreigliedrigen sinnverwandten Formeln, Reime
und Assonanzen in Versstrophen usw.).
Im 18. Jh. wird angesichts der gedruckten regionalen
Varianten der slowenischen Schriftsprache (in Krain/
Kranjska, Kärnten/Koroška und in der slowenischen
Weststeiermark/zahodna Štajerska) offenbar, dass die
slowenische Oststeiermark/vzhodna Štajerska und das
Prekmurje in ihren religiösen Schriften (den katholi-
schen ebenso wie in den protestantischen) die origi-
näre kyrillo-methodianische pannonisch-slowenische
Terminologie der Gottesdienste und Riten erhalten
haben. Diese haben neben den Tschechen, Polen und
Kroaten, dabei insbesondere die Vertreter der Tradition
der → Glagolica, auch alle orthodoxen Slawen (die
Makedonier, Serben, Bulgaren, Russen, Ukrainer und
Weißrussen) beibehalten. Interessant und bedeutend ist,
dass über das slowenische Gebiet die methodische und
terminologische Grenze zwischen der östlichen und
der westlichen Mission verläuft, die bereits im Rahmen
der differenzierenden Termini in den Freisinger Denk-
mälern aufgezeigt wurde. Trotz der Vertreibung der
Schüler Methods aus Mähren und der Tatsache, dass
der slawische Gottesdienst aufgegeben wurde, lebte bei
den pannonischen Slowenen sowie bei den angeführten
Völkern die ursprünglich »altslowenische« Terminolo-
gie (d. h. Terminologie des slověnski) weiter und entwi-
ckelte sich gemäß den jüngeren Entwicklungsmustern
der Phonetik und Wortbildung dieser Sprachen.
Das Altkirchenslawische/Altbulgarische, nach Mik-
losich Altslovenische (slověnski), erleichterte allen
slawischen Völkern außer den Slowenen der Alpenre-
gionen den Übergang zur jeweils eigenen Schriftspra-
che auf der Grundlage der gesprochenen Volkssprache.
Zunächst bildete sich diese bei den Tschechen vom 12.
bis zum 13. Jh. heraus, danach im 18. Jh. bei den Russen
und schließlich fand der Übergang vom »slawenoserbi-
schen« zur gesprochenen herzegowinisch-štokavischen
bei den Serben zu Beginn des 19. Jh.s statt (durch die
Reform des Vuk Stefanović Karadžić). Daher rührt
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 2 : J – Pl
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur